Gladbeck.
Die soziale Schere in der Bundesrepublik darf nicht noch weiter auseinander gehen - das forderte Sylvia Bühler vom Verdi-Bundesvorstand in ihrer Rede am 1. Mai in der Stadthalle; sie rief den Gladbecker Gewerkschaftern zu: „Leistung und Verdienst müssen wieder zusammengebracht werden!“
Zuvor hatte die Spitzen-Gewerkschafterin darauf hingewiesen, dass rein statistisch gesehen jeder Bundesbürger über ein Vermögen von rund 41 000 Euro verfüge. Ein Raunen ging daraufhin durch den Saal. „Ich höre schon, dass es bei Euch anders aussieht“, rief Sylvia Bühler den Arbeitnehmern zu und setzte ihre Forderungskatalog fort: Was leistet jemand für unsere Gesellschaft - das müsse wieder die zentrale Frage sein, wenn es um die Höhe der Entlohnung gehe.
Die Verdi-Spitzenfrau zitierte aus der Studie einer britischen Denkfabrik, wonach eine Reinigungskraft im Krankenhaus mehr für die Gesellschaft leiste als ein Spitzenbanker in der Londoner City. Viel Applaus gab’s für diese Feststellung in der Stadthalle.
Sylvia Bühler sieht Verdi mit dem jüngsten Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst auf einem guten Weg. Die Vereinbarung enthalte eine „starke soziale Komponente, auf die wir stolz sein können“, sagte sie. Und wenn es nun einen Mindestlohn gebe, sei das ebenfalls ein „klarer Erfolg der Gewerkschaften“. Fast 5,2 Millionen Frauen und Männer in der Bundesrepublik profitierten davon. Allerdings werde sich Verdi klar gegen die beabsichtigten Ausnahme-Regelungen für unter 18-Jährige und Langzeitarbeitslose wehren. Solche Ausnahmen dürfe es nicht geben.
„Personalabbau bei steigenden Patientenzahlen - das geht nicht“
Gegen Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen, gegen Stellen-Befristungen ohne sachlichen Grund, für eine angemessene Bestrafung von Steuerhinterziehung wie im Fall Hoeneß - Sylvia Bühler, die im Verdi-Bundesvorstand für soziale Dienste und Gesundheitswesen zuständig ist, streifte noch viele weitere aktuelle Themengebiete und forderte auch eine angemessene personelle Ausstattung der Krankenhäuser. Fortlaufender Personalabbau bei gleichzeitig steigenden Patientenzahlen - das sei ein Unding, dem begegnet werden müsse, wenn es jetzt auf Bundesebene um die entsprechenden Gesetzesreformen gehe.
Zuvor hatte der neue Gladbecker DGB-Chef Ingo Wesselborg seinen ersten 1-Mai-Auftritt in der Stadthalle. Auch Wesselborg sprach die wachsende soziale Kluft in der deutschen und in den europäischen Gesellschaften an: „Wir sind der reichste Kontinent, aber dieser Reichtum ist ungleich verteilt.“ Nur durch eine Stärkung des Parlamentarismus und durch eine hohe Wahlbeteiligung bei den EU-Wahlen am 25. Mai seien Arbeitnehmer-Rechte verlässlich und gesetzlich durchzusetzen, appellierte Wesselborg mit Blick auf den näher rückenden Wahlsonntag.
Bürgermeister Ulrich Roland (SPD) unterstrich in seinem Grußwort, dass aus seiner Sicht konsequente lokale Investitionen in Bildung und Erziehung ein wichtiges Mittel seien, um einer wachsenden sozialen Ungleichheit zu begegnen. Sinkende Arbeitslosenzahlen und Wanderungsgewinne in Gladbeck seien klare Indizien, dass die Stadt insgesamt auf einem guten Weg sei.