Gladbeck. Fortbildung für Kindergarten-Erzieher in der Frühförderstelle, die indirekt auch betroffenen Familien hilft

„Zuhause ist Luisa ein normales Kind, das fröhlich spielt und mit allen in der Familie redet“, erzählt ihre Mutter. Im Kindergarten gibt die Dreijährige ihren Erzieherinnen aber seit Monaten ein Rätsel auf, denn hier schweigt das Kind und steht mit ausdruckslosem Gesicht stumm in der Ecke des Gruppenraumes. „Wir beobachten vermehrt, dass Kinder trotz langer Eingewöhnungszeit und liebevoller Betreuung sich nicht trauen im Kindergarten zu sprechen“, berichtet Christiane Schmal, Logopädin der Frühförder- und Beratungsstelle. Die Einrichtung der Caritas Gladbeck hatte aus diesem Grund jetzt Erzieherinnen aus der Region zur Fortbildungsveranstaltung „Schweigende Kinder“ eingeladen.

Ein Erzieher und 43 Erzieherinnen besuchten die Fachtagung an der Wiesenstraße, die von der Expertin Anne Wichtmann geleitet wurde. Seit elf Jahren befasst sich die Logopädin und systemische Familientherapeutin mit dem Störungsbild des Selektiven Mutismus, behandelt Kinder und berät deren Eltern. Sie informierte das Plenum, über das noch wenig bekannte Störungsbild, von dem etwa sieben von tausend Kindern betroffen sind. Selektiver Mutismus ist die Unfähigkeit, trotz vorhandener Sprechfähigkeit in spezifischen sozialen Situationen oder mit bestimmten Personen zu sprechen.

Die Teilnehmer aus Gladbeck, Gelsenkirchen und Bottrop waren sichtlich froh, im Plenum offen über ihre Erlebnisse sprechen zu können: Sätze wie „Man fühlt sich oft so hilflos und stößt an seine Grenzen, denn man bekommt vom Kind ja so wenig wieder worauf man reagieren könnte“ oder „ich habe Angst etwas falsch zu machen“ waren zu hören.

„Die Störung tritt häufig im Rahmen von Zweisprachigkeit auf“, erklärte Anne Wichtmann, da es fremdsprachigen Eltern oft wichtig sei, dass das

Frühförderstelle unterstützt die Therapie

Erzieher und Eltern können bei der Therapie von mutistischen Kindern von der Frühförder- und Beratungsstelle des Caritasverbandes Gladbeck unterstützt werden (Tel. 29 49-30).

Das Team der Frühförderstelle besteht aus 12 pädagogischen und therapeutischen Mitarbeiterinnen und einer Psychologin.

Selektiver Mutismus (von lateinisch „mutus“ = „stumm“) tritt 1,5 bis zwei Mal häufiger bei Mädchen als bei Jungen auf.

Kleinkind zunächst die Muttersprache lerne und es so kaum über Deutschkenntnisse verfügt. Was dann eben zum Verstummen im Kindergarten aus großer Unsicherheit und Unverständnis führen könne. Nur ein Phänomen, denn die Ursachen seien oft nicht so leicht herauszufinden. Einschneidende Erlebnisse in der frühkindlichen Lebensbiografie können den Mutismus auslösen, wie der Tod des Opa oder die Wiederaufnahme der Berufstätigkeit der Mutter. Die Expertin wies aber auch Fallbeispiele auf wie den Fall Jenny. Das Problem konnte hier erst nach systemischen Sitzungen mit den Eltern und Großeltern gelöst werden, wobei sich unterschwellige Konflikte offenbarten, die das Kind belasteten.

Anne Wichtmann verwies auf alternative Strategien im Kindergarten, „genau hinzugucken, um Ressourcen, die das Kind zu zeigen bereit ist, weiter zu entwickeln – und uns so selbst zu entlasten“.