Gladbeck. . Das erste apostolische Schreiben Franziskus’ spricht den Gladbecker Katholiken und Theologiestudenten Benedikt Gottlieb aus dem Herzen. Er traut dem neuen Kirchenoberhaupt zu, Reformen durchzusetzen und sieht in ihm ein gutes Vorbild.

Papst Franziskus hat jüngst sein erstes apostolisches Schreiben vorgelegt, „Evangelii Gaudium“. Zu deutsch: „Freude des Evangeliums“. Darin fordert der Papst Reformen in der römisch-katholischen Kirche. Er geißelt eine „Wegwerfkultur“, in der dem Materiellen mehr Wert beigemessen werde als dem Menschen. Hat Papst Franziskus mit seinen Aussagen Gläubigen eine Freude bereitet? Spricht er ihnen aus der Seele? Wie kommt sein Wort bei jungen Menschen an, die doch immer häufiger der Kirche fernbleiben?

Die WAZ sprach mit einem Gladbecker, der sich ehrenamtlich in der Gemeinde St. Lamberti engagiert. Benedikt Gottlieb (23) studiert in Essen katholische Theologie, ist unter anderem Firmkatechet, Messdiener, Leiter in der Katholischen Jugendbewegung (KJB) und BDKJ-Leiter (Bund der Deutschen Katholischen Jugend).

WAZ: Wie haben Sie dieses apostolische Schreiben aufgenommen?

Gottlieb: Ich sehe es vor dem Hintergrund eines Fragebogens, den er zu „Ehe & Familie“ herausgegeben hat. Die Umfrage erreichte aus Rom die Bischofskonferenzen auf der ganzen Welt und geht von dort in die Gemeinden. Der BDKJ hat eine gekürzte und für junge Leute formulierte Version ins Internet gestellt. Die Ergebnisse werden dann nach Rom geschickt.

Was ist die Intention dieses Fragebogens?

Was der Papst herausfinden will, ist, wie die kirchliche Lehre zu Ehe und Partnerschaft bei den Gläubigen, bei der Jugend, ankommt; ob manches heutzutage überhaupt noch relevant ist. Ich finde es gut, dass der Papst versucht, Theorie und Wirklichkeit zusammen zu führen.

Sie sehen diese Umfrage also als einen roten Faden in einem vielleicht neuen Gewand für die römisch-katholische Kirche?

Ja, ich glaube, Reformen würden uns wirklich gut tun.

Und Sie trauen Papst Franziskus zu, dass er als Erneuerer wirken kann?

Ja! Er fing mit der Namensgebung an. Er wählte den Namen des Bettelmönchs, der sein prunkvolles Leben hinter sich ließ, um sich den Armen zu widmen. Und schon bei seinem ersten Auftritt als Papst auf dem Balkon hat er die Gläubigen einbezogen. Papst Franziskus bat sie, für ihn zu beten. An Gründonnerstag hat er in einem Gefängnis Jugendlichen die Füße gewaschen. Der „Super-Boss“ macht sich so klein, um zurück zu den Wurzeln unseres Glaubens zu gehen. Auch Jesus ging zu den Armen und Ausgestoßenen. Das passt zur Enzyklika des Papstes.

Papst Franziskus fordert, dass die katholische Kirche zu einer Kirche der Armen werden solle.

Die katholische Kirche hat sich in den vergangenen Jahrhunderten um sich selbst gekümmert. Trotz der Größe seines Amtes geht es dem Papst aber um die Menschen. Kirche soll sie da abholen, wo sie gerade stehen mit all ihren Sorgen und Nöten. Und der Papst wendet sich vor allem den Armen zu – das muss er auch als Franziskus.

Das apostolische Schreiben empfinden Sie also nicht als Show, wie Kritiker sagen?

Nein, Papst Franziskus ist kein Showmaker. Das könnte man vielleicht annehmen, wenn er vor seiner Wahl zum Kirchenoberhaupt anders gelebt hätte. Aber er ist auch als Kardinal in die Slums gegangen, um sich von Herzen um Arme zu kümmern.

Sie sehen eine Chance, dass sich die katholische Kirche verändern kann?

Definitiv. Benedikt VI. hat es schon versucht, ist aber wohl am Klerus gescheitert. Franziskus zieht seine Linie durch. Dabei findet ich gut, dass er bei allen Veränderungen Bischöfe, Gemeinden und Gläubige einbezieht und nicht von oben herab verordnet.

Caritas an erster Stelle

Eine Kirche, die sich den Menschen öffnet strebt Papst Franziskus an. Sie solle sich ruhig „Beulen holen“, statt um sich selbst zu kreisen. Diesen Schritt macht auch die katholische Kirche in Gladbeck mit ihrem neuen Pastoralplan, der für vier Jahre ausgelegt ist. Benedikt Gottlieb zu wesentlichen Aspekten.

Was sind Ziele des Pastoralplans?

Laien sollen befähigt werden, eigenverantwortlich und kooperativ in verschiedenen Bereichen zu wirken. Die vier Säulen sind Caritas – also Mitmenschen helfen –, Glauben kommunizieren, Gottesdienste feiern und Gemeindewesen. Laien könnten zum Beispiel auch den Begräbnisdienst übernehmen. Das Wichtigste ist, dass alle getauften Männer und Frauen Aufgaben übernehmen sollen, also weg vom Klerikalen.

Im Vordergrund steht Caritas?

Genau. Sie ist im Pastoralplan als erstes genannt. Wir in Gladbeck sehen das ganz deutlich darin, dass Propst An­dré Müller jetzt auch Caritas-Direktor ist.

Der Papst fordert, dass Kirche immer offen sein müsse . . .

. . . und zwar für alle Menschen in verschiedenen Lebensphasen. Jeder sollte wertgeschätzt werden. Ich weiß, dass selbst Leute, die sich in der Gemeinde stark engagieren, geschieden sind. Deren Lebensentwurf entspricht nicht dem Klassiker Vater, Mutter, Kind. Wir können es uns nicht leisten, Menschen vor den Kopf zu stoßen, nur weil ihr Leben nicht ganz mit der kirchlichen Lehre übereinstimmt. Der Papst hat gesagt: „Wer sind wir, dass wir als Kirche über andere urteilen? Wir sind alle Kinder Gottes.“

Bedeutet mehr Offenheit in absehbarer Zeit auch: Katholikinnen als Priesterinnen?

Da werden wohl noch ein paar Jahrhunderte ins Land gehen. Frauenpriestertum und der Zölibat sind Dinge, die nach meiner Ansicht irgendwann angepackt werden müssen, doch sie gehören in den Bereich „die Kirche denkt über sich nach“. Wichtiger ist, dass die Kirche rausgeht und den Menschen hilft.