Gladbeck. . Peter Brandt ist der älteste Sohn von Willy Brandt. Im Lesecafé der Stadtbücherei Gladbeck erzählte der Professor für neuere Geschichte vorsichtig über Leben und Wirken seines Vaters Willy Brandt und stellte sein Buch „Mit anderen Augen“ vor.

Kann ein Biograf authentischer sein als der eigene Sohn von Willy Brandt? Wohl kaum – und Peter Brandt, ältester Sohn des großen Mannes, nähert sich dem leidenschaftlichen Patrioten und Visionär aus zwei Richtungen. „Es gilt, sein politisches Wirken zu beleuchten. Ich muss meine Vorteile als Sohn zähmen, um korrekt zu bleiben. Den Vater betrachte ich aus einem ganz anderen Blickwinkel“, sagte Peter Brandt bei seinem Auftritt am Mittwochabend im Lesecafé der Stadtbücherei.

Keine Enthüllungen

Der Professor für neuere Geschichte, der seit 1990 an der Fernuniversität Hagen wirkt, erzählt von den prekären Familienverhältnissen, in denen der Vater aufwuchs. Ein Opa, zu dem Brandt Papa sagte, war nicht sein leiblicher Großvater, und die Mutter war mit dem unehelichen Sohn überfordert. Früh fand Brandt den Weg zu radikalen Sozialisten. Peter Brandt wechselte geschickt und ganz bewusst in die distanzierte Rolle des Historikers. Neugierige kommen an diesem Abend nicht auf ihre Kosten, Enthüllungen finden nicht statt. Nein, Peter Brandt verrät seinen Vater nicht. Wer auf Frauengeschichten wartet, der wartet vergebens. Umso spannender wird es, wenn der Sohn das politische Bild zeichnet.

Ein Teller aus Gladbeck und anderes Gedöns

VHS-Leiter Dietrich Pollmann erinnerte in seiner Einführung in den Vortrag an den Besuch Willy Brandts im Landtagswahlkampf von 1966. Damals bekam Brandt einen Erinnerungsteller mit Gladbecker Motiven geschenkt.

Ob Peter Brandt wisse, wo dieser Teller abgeblieben sei, lautete die Frage, die bei den rund 100 Besuchern für Erheiterung sorgte. Im Schöneberger Rathaus habe es ein Zimmer gegeben, in dem der Teller und „anderes Gedöns“ verwahrt wurden, erklärte Peter Brandt. Wo der Teller jetzt sei, wisse er nicht.

Wie Willy Brandt vom Exil in Norwegen beeinflusst wurde und dass er unter seiner Ausbürgerung aus Deutschland litt, sind intime Erkenntnisse, die Willy Brandts politische Visionen erklären. Dort formte sich sein politisches Leitbild: nicht Sozialismus gegen Kapitalismus war die große Herausforderung aus seiner Sicht, sondern der politische Kampf zwischen Demokratie und Diktatur. Er hasste anmaßende Menschen, Rechthaber und Saboteure linker Oppositionen. Ihm war die vorsichtige Annäherung wichtiger als das laute Trommeln. Er hatte ein geradezu seismographisches Gespür für politische Veränderungen und hat die Entwicklung der Deutschen Einheit sehr präzise vorher gesehen. Als die Mauer gebaut wurde, war er es, der mit Passierscheinen für Erleichterung bei den Menschen in beiden Teilen der Stadt sorgte.

Der Mensch war Willy Brand wichtig

Brandt war Pragmatiker. Der Mensch war ihm wichtig. Interessant auch der Blick auf den Kosmopoliten Willy Brandt, der sich nach dem Rücktritt als Bundeskanzler als Vorsitzender der Nord-Süd-Kommission und der Sozialistischen Internationalen wieder linker präsentierte. Als Vater des kleinen Peter war Willy Brandt sehr präsent: beim Spaziergang hörte der Vater geduldig zu, wenn der Sohn ihm den Roman „Ein Kampf um Rom“ erklärte.

Das Verhältnis zu Helmut Schmidt, zur Troika Wehner, Bahr und Ehmke: Peter Brandt nähert sich vorsichtig analytisch. Er bewertet nicht, bleibt wissenschaftlich und diskret. Und so bleibt Willy Brandt auch zum 100. Geburtstag der, der er immer war: der Glücksfall für den Frieden, für Deutschland, Europa und die Aussöhnung mit dem Osten.