Gladbeck. Gladbecker Verwaltungsspitze und politische Gremien entscheiden bis Ende März, ob eine Wertbereinigung in der Haushaltsbilanz erfolgt. Grüne sprechen von einem „sterbenden Dinosaurier“
Bei der Frage zum privaten Kapitalvermögen würde jeder Gladbecker Bürger für eine exakte Antwort wohl eine genaue Aufstellung seines Sparguthabens und Wertpapierbesitzes vornehmen.
Und keiner würde auf die Idee kommen, vor sechs Jahren erworbene Aktien mit dem damaligen Wert zu berechnen, sondern den aktuellen Kurs heranziehen. Bei der Stadt ist das anders.
Hier ist das stattliche RWE-Aktienpaket im Haushalt noch immer mit dem Wert eingerechnet, der Ende 2007 für die Eröffnungsbilanz zur Umstellung auf das Neue Kommunale Finanzmanagement ermittelt wurde: Pro Aktie 87,30 Euro.
Aktienwert kräftig geschrumpft
Eine Luftnummer, denn der Aktienwert schrumpft bereits seit Jahren und liegt aktuell – angesichts der andauernden Schwierigkeiten des RWE-Konzerns – bei nur noch 27 Euro. Würde dieser Realwert als Berechnungsgrundlage für die 1,2 Millionen RWE-Aktien der Stadt dienen, wären in der Bilanz auf einen Schlag rund 72 Millionen Euro futsch.
Nachbarstadt hat „Tafelsilber“ verkauft
Gelsenkirchen hat den Großteil seiner RWE-Aktien zum Schuldenabbau vor Jahren für je 45 Euro verkauft. Düsseldorf konnte sich so 2007 komplett entschulden.
18,75 Millionen
RWE-Aktien hält noch
Essen, Dortmund sogar noch 22,7 Millionen und Oberhausen wie Gladbeck 1,2
Millionen.
Und zugleich wäre damit das restliche Eigenkapital der Stadt vom Plus in eine fast gleichgroße Minussumme umgedreht, da das Eigenkapital derzeit noch mit 38 Millionen Euro in der Bilanz (von Ende 2012) steht. Berechtigte Frage, warum der Kämmerer seit Jahren mit falschen Werten bilanziert? Bei kommunalem Aktienbesitz sei es so, dass aufgrund der Kursschwankungen nicht ständig eine Neubewertung vorgenommen werde, erklärt Jürgen Holzmann auf Anfrage. Dies sei bei vielen Kommunen so. Die Aktie könne sich ja auch wieder erholen.
Eine Wertbereinigung durchzuführen liege im Ermessen der Stadt „und erfolgt etwa alle fünf bis sechs Jahre“, so der Kämmerer weiter. Natürlich habe man den RWE-Aktienwert im Blick und werde dazu bald, möglichst in Absprache mit weiteren Kommunen, eine Entscheidung treffen. Holzmann: „Eine Neubewertung wäre im Rahmen des Jahresabschlusses vorzunehmen, der Ende März fertig sein muss.“
Ein Kreditausfall sei selbst bei negativem Eigenkapital aber nicht zu befürchten. Auch der laufende Stärkungspakt wäre damit „nicht gefährdet“.
Ein sterbender Dinosaurier
Bernd Lehmann griff für die Gladbecker Grünen das Thema RWE-Aktienbesitz jetzt im Rat auf. Der Ratsherr sprach angesichts der aktuellen RWE-Krise und dem Plan der Konzernlenker, 3 000 Stellen abbauen zu wollen, von einem „sterbenden Dinosaurier“.
Der Stadtverbandssprecher stellte weiter die Frage, ob es - wie bereits 2008 angefragt - nicht aufgrund stetig gesunkener Aktienwerte sinnvoll sei, die RWE-Aktien zu verkaufen. Der Rat und die Ausschüsse sollten sich damit befassen, „ob man die Schrottpapiere weiter im Anlagevermögen der Stadt behält“, so Hermann.
Ratsherr Michael Hübner (SPD) warnte vor einem Verkauf, damit sei keine direkte Entschuldung möglich und die Stadt werde dadurch „bilanziell auch nicht ärmer oder reicher“. Hübner bat darum die RWE-Aktien als langfristige Finanzanlage in der Region zu betrachten, die viele Jahre lang äußerst attraktive Gewinne beschert habe.
20 Millionen Euro in Stadtkasse gespült
Dies bestätigte Bürgermeister Ulrich Roland, der den Ratsmitgliedern vorrechnete, dass die RWE-Aktiendividenden allein von 2008 bis 2011 jährlich zwischen gut drei bis fast fünf Millionen Euro - und so insgesamt rund 20 Millionen Euro - als Einnahmen in die Stadtkasse gespült hätten.
Im Plenum einigte man sich letztlich darauf, das Thema RWE-Aktien zu Anfang des kommenden Jahres in den lokalpolitischen Gremien weiter diskutieren zu wollen.