Gladbeck. . Im November, dem Monat des Totengedenkens, haben Steinmetz- und Steinbildhauermeisterwie Peter Schaaf alle Hände voll zu tun. Aufwendige Grabgestaltung wird immer seltener

Kalt und windig ist es; Tropfen fallen auf die Bahnhofstraße, rinnen über das steinerne Herz, das auf dem Rasen ruht. Der Himmel weint. Eben ein trostloser Novembertag par excellence. Drinnen, in der Werkstatt, fressen sich stählerne Zähne kreischend durch riesige Steinplatten. Gibt die Säge, die Norbert Diez per Computer lenkt, einmal Ruhe, dringt ein Klopfen ans Ohr – fast wie ein Specht. Im Nebenraum legt Peter Schaaf letzte Hand an einen Grabstein – Gedenken in Stein gehauen. In diesen Tagen kann der 48-Jährige Klöpfel und Meißel nicht ruhen lassen. „Für den Trauermonat November wollen Angehörige die Gräber ihrer Verstorbenen fertig haben“, erzählt der Steinmetz- und Steinbildhauermeister, „das bedeutet für uns oft eine Steigerung von 100 Prozent.“

Ansonsten füllen das Jahr über „zu 90 Prozent“ Bauarbeiten die Auftragsbücher: Boden- und Wandbeläge, Treppenaufgänge. 300 Rohtafeln habe er auf Lager. „Wir verwenden bevorzugt Naturstein“, so der 48-Jährige, seit 1999 Inhaber und Geschäftsführer des Betriebes, „Marmor, Granit, Basalt, Sand- und Kalkstein.“ Einige Grabstein-Modelle können sich potenzielle Käufer in der Ausstellung anschauen – aber „die ist zurzeit fast abgegrast“. Die Kundschaft melde sich bisweilen schon drei Monate vorher, um sich einen Termin zu sichern, an dem nicht zu rütteln ist. Ob Grabsteine, Inschriften oder Lichter für die letzte Ruhestätte – Schaaf, der als Steinbildhauer auch vollplastische und reliefartige Arbeiten anfertigt, kann weiterhelfen.

Einfühlsame Seelentröster

Auch wenn’s nicht um so handfeste Entscheidungen geht wie „Basalt oder Marmor?“ – Seelentröster sind gefragt. „Emotional angeschlagenen Menschen“ fällt ein Stein vom Herzen, wenn ihnen jemand zuhört. Weinende Angehörige sitzen häufig bei den Betriebsinhabern Schaaf und Diez im Büro. Material-Muster im handlichen Format stehen dort griffbereit. Zwischen gezeichneten Plänen, Schaafs Meisterbrief, dem Nachweis als Mitgliedsbetrieb „der Innung für Gelsenkirchen und das Vest Recklinghausen“ sowie Plakaten mit Grablicht-Ausführungen ein bunter Blickfang: Puppe Ernie aus der Sesamstraße.

„Schon als Zehnjähriger habe ich angefangen, ein bisschen an einer Wand rumzuprokeln“, erzählt der Marler Schaaf. Sein Handwerk hat er von der Pike auf gelernt: drei Jahre Ausbildung, Station in verschiedenen Firmen, den Meister auf der Abendschule gemacht. Später suchte er einen Betrieb, den er übernehmen könnte – und wurde an der Bahnhofstraße fündig. Mit-Inhaber Norbert Diez stieg im Jahr 2002 ins Geschäft ein. Der 49-Jährige ist gelernter Bergbautechniker und kümmert sich um die Produktion von Fensterbänken und Treppen.

Nachwuchskräfte seien rar, auch „schöne, individuelle Grabsteine“ sind selten geworden: „Die Kunden achten aufs Geld“, entscheiden sich (wenn überhaupt für einen Stein) gerne für günstige Katalogware. Das Grab seiner Großmutter habe eine Komplettabdeckung, selbstverständlich aus den Händen des Enkels, mit einem Jesus aus Bronze. Für einen passionierten Angler gestaltete Schaaf einen Stein mit einem Fisch. Doch der Meister ist felsenfest überzeugt: Die Friedhofskultur mit aufwendiger Gestaltung ist bald vergessen und begraben...