Gladbeck. Heimatforscher Manfred Samen recherchierte und wurde in Stadtarchiv fündig: SS-Angehörige kamen bei den Pogromen gegen die Juden auch aus den Reihen der Stadtbediensteten. Nach dem Krieg fand mindestens einer im Rathaus wieder ein Anstellung.
Heimatforscher Manfred Samen, Kenner der Gladbecker NS-Vergangenheit, fand in städtischen Akten einen konkreten Fall von Gewalt und Plünderung gegen die jüdische Bevölkerung, in denen führende Gladbecker Nationalsozialisten genannt sind. Und er war erstaunt, dass ein Täter auch nach dem Krieg in städtischen Diensten war.
Es ging um das Geschäft des jüdischen Kaufmanns Phöbus Perl, das noch am Tag nach dem Pogrom von namhaften Nazi-Größen geplündert wurde, darunter Ortsgruppenleiter Hermann Koller, SS-Sturmbannführer Otto Wisbar (beide Stadtbedienstete) und SS-Oberscharführer Heinrich Wilkening (Lagerverwalter beim Gaswerk der Stadt).
Zeuge war der Stadtinspektor Wilhelm Stenner, selbst SS-Mann, der aber aus Gewissensgründen weder am Pogrom noch an der Plünderung teilnahm. Stattdessen machte er Meldung bei OB Bernhard Hackenberg, der – den Namen Stenners auf dessen Bitten geheim haltend – die Regierung in Münster, sogar „Berlin“ einschaltete. Da der Zeuge (aus Angst) aber anonym bleiben wollte, verlief die Angelegenheit, so Samen, im Sande, die Täter blieben unbehelligt. Koller verstarb vor Kriegsende.
Otto Wisbar, schon 1931 in der SA und 1932 in der SS und charakterisiert als „alter Nazi-Kämpfer“, als „übelster NS-Aktivist“ und „schlimmer Judenhasser“, wurde nach 1945 „ohne Pensionsansprüche“ aus den Diensten der Stadt entlassen, später zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt.
Heinrich Wilkening war bis Ende ‘49 in Haft, stand wegen seiner Taten als NS-Scherge aber nie vor Gericht, weiß Samen. Er fand zunächst eine Anstellung im Autohaus Schmitz, bevor er 1956 wieder Angestellter der Stadt wurde und im Ordnungsamt arbeitete. 1966 wurde er von Oberstadtdirektor Dr. Werner Teufert (FDP) verabschiedet – mit Lobesworten. Samen: „Diese waren für Teufert, ehemals Mitglied der allgemeinen und mit Kriegsbeginn auch der Waffen-SS und Dozent an einer SS-Schule, nur folgerichtig.“
Manfred Samen hält am Samstag, 9. November, um 15.30 Uhr an der Stele am Wittringer Ehrenmal die Gedenkrede zum 9. November. Er wird den Fall dort ausführlich schildern und Hintergründe aufzeigen.