Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein, hier in diesem ruhigen Winkel Zweckels. Uralte Lindenbäume säumen die Krugstraße, Anwohner fegen Laub, irgendwo bellt ein Hund; auf den Rechen gestützt halten Nachbarn auf der Schwelle zu ihren Häuschen einen Schwatz. In einem der rückwärtigen Gärten pusselt eine Bewohnerin. Lauben stehen hinter den Häuserzeilen, Gemüse gedeiht dort; aber auch Blumen werden liebevoll gepflegt. Beschaulich geht’s zu an der Krugstraße. Kein Supermarkt weit und breit, nicht mal ein Tante-Emma-Laden. So war’s schon vor 100 Jahren, und so ist’s heute immer noch. Nur die Autos, die zwischen den Bäumen parken, die sind modern.
Und die Männer mit ihren Familien, die heutzutage an der Krugstraße ein Zuhause gefunden haben, gehen längst nicht mehr auf Zeche Zweckel malochen. Männer wie der 54-jährige Rainer Lenz. Der Maurermeister, der seit einem Arbeitsunfall Frührentner ist, wohnt mit seiner Frau Ulrike (50) sowie den Kindern Christina (21) und Matthias (15) in einem der Zechenhäuschen. Die zwölfjährige, puschelige Leni, die Besucher mit einem engagierten Bellen ausgiebig begrüßt, komplettiert die Familie. „Herrchen“ sagt: „Unsere Straße ist wohl die mit den meisten Hunden in der Stadt, ich komme auf mindestens 24.“ Und jede Menge Kinder leben hier. Den Lenzens fallen ad hoc rund 20 Mädchen und Jungen ein, die unter zwölf Jahre alt sind.
Auch das ist wie früher, als 1913 die ersten Zechenhäuser an der Krugstraße errichtet wurden. Allerdings waren es seinerzeit andere Dimensionen: Bis zu drei Familien lebten unter einem Dach. Rainer und Ulrike Lenz verwirklichten sich vor 13 Jahren einen Traum: im Grünen, das eigene Reich, „optimal für Kinder“. Und mit den Nachbarn klappt’s auch.
„Mit ein paar Leuten haben wir 2011 mal bei einem Bierchen überlegt: Wie wär’s denn mit einem Nachbarschaftsfest?“, erzählt der 54-Jährige. Später die Überlegung: Das 100-Jährige der Krugstraße, das wäre doch passend . . . Ein Festkomitee aus sechs Familien nahm die Planung in die Hand, gab T-Shirts in Auftrag, organisierte die Party, die heute steigt.
Silvester feiern manche Anwohner bereits gemeinsam, man geht kegeln, trifft sich. „Das ist eine gesunde Mischung zwischen Kontakt und Distanz“, sagt Rainer Lenz, im Hinterkopf das Wissen: „Wenn man jemanden braucht, ist er auch da!“. Er hofft, dass sich auf der heutigen Feier Gespräche mit Nachbarn entwickeln, mit denen man bislang nicht so viel zu tun hatte. Manche wohnen hier bereits seit etlichen Jahrzehnten. Lenzens gehören zu den Jüngeren an der Krugstraße. Aber sie sind sicher: „Auch wir wollen an hier alt werden.“