Gladbeck.
. René Schiering nimmt einen kräftigen Schluck aus dem bauchigen Pilsglas und zündet sich eine Zigarette an. Er sitzt vor dem Café Goethestraße. Auf dem Tisch liegt sein gerade erschienener Roman „Ruhrpott-Köter 2“, die Fortführung seiner eigentümlichen Liebeserklärung an Gladbeck. Wie die Buchfigur André verbindet den Autor und Punkrocker, der inzwischen in Essen wohnt, eine „Hassliebe“ mit seiner alten Heimat.
„Die kann jeder nachempfinden, der in der Provinz groß geworden ist.“ Als Jugendlicher möchte man entfliehen, doch kehrt man zurück, wartet meist ein vertrautes Umfeld. So geht es im ersten Teil auch André, den es nach 15 Jahren wieder nach Gladbeck verschlägt. Seine Geschichte, gespickt mit vielen skurrilen aber authentischen Ruhrpott-Charakteren, geht nun weiter.
Wer jedoch das neue Buch aufschlägt, dem könnte der Anfang vertraut vorkommen. Es sind die letzten Seiten des Vorgängers. „Diese Struktur habe ich mir bei Silvester Stallone abgeguckt, von Rocky 2“, sagt der 36-jährige Autor. Sofort stürzt der Leser wieder in die Geschichte und begleitet André durch weitere turbulente Abenteuer.
Zwar möchte er eigentlich nur seine Ruhe haben und gemütlich im Rhein-Herne-Kanal angeln. Doch er muss wieder neu lernen, dass er sich den engen sozialen Netzwerken in der Kleinstadt nicht entziehen kann. Dass sie nicht nur komfortabel, sondern auch fordernd sind.
Mit Witz, Humor und mit Schlägen in die Magengrube stolpert der Protagonist durch den Alltag und weiß nicht, wie ihm geschieht. Etwa, als er bei der Beerdigung eines drogentoten Kumpels mit dessen Onkel Heini Herrengedecke trinkt und plötzlich von „zügellosem Pornoverkehr“ und „Sanitärsex“ mit Kellnerin Steffi fantasiert. Auch dass er beim Bummeln mit Vermieterin Renate Szczepaniak für ihren jungen Liebhaber gehalten wird, hat er sich ganz anders vorgestellt.
Ohne Kohlenstaub-Klischees
Auch Gastronom „Dän“ hat Pläne mit ihm, und Steffi will ihn endlich für sich gewinnen. Gerne hätte André außerdem darauf verzichtet zu erfahren, wie verkrustetes Menstruationsblut im rosa Spitzenhöschen aussieht. Wenn sich eine skurrile Episode an die nächste reiht, findet er kaum Zeit zum Verschnaufen – und schnell wird klar: Seine alte Heimat überfordert ihn.
Gladbeck, das Ruhrgebiet sowie die Menschen, die dort leben, werden derb, aber liebenswert dargestellt, ohne ausgelutschte Kohlenstaub-Klischees. „Möglichst authentisch“, sagt Schiering, der in André ein Alter Ego sieht. Nicht zuletzt, weil der promovierte Sprachwissenschaftler, der inzwischen Drehbücher für TV-Serien schreibt, ebenfalls nach Jahren wieder nach Gladbeck zog. „Die Geschichte ist aber frei erfunden.“ Dennoch dienten die Stadt und sein Freundeskreis als Inspiration. „Wer einen Charakterzug wiedererkennt, darf das gerne als Liebeserklärung verstehen.“ Denn das ist „Ruhrpott-Köter 2“, eine amüsante Hommage an diese Region und ihre Menschen.