Gladbeck.
In wohl keinem Gladbecker Stadtbezirk verwischen die Grenzen zu einer Nachbarkommune so stark wie am Rosenhügel. „Ich bin am Querschlag in Gelsenkirchen, einen Steinwurf von der Stadtgrenze aufgewachsen“, erzählt Hans Karwig, der heute an der Hügelstraße wohnt. Seine Eltern hatten sich Anfang der 1950er Jahre den Traum vom Eigenheim erfüllen können. Wie viele Kumpel, die auf „Graf Moltke“, „Mathias Stinnes“, „Hugo“ oder „Nordstern“ einfuhren, nachdem ab August 1952 die ECA-Siedlung mit 617 Häusern hoch gezogen wurde – ohne auf Stadtgrenzen zu achten.
Eigenheim für 18 000 Mark
Ein Bauvorhaben, mit 11 Millionen Mark finanziert aus dem Marshall Plan, wobei ECA die englische Abkürzung von Verwaltung für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Economic Cooperation Administration) ist. Häuser von 67 bis 110 Quadratmetern Größe entstanden exklusiv für Bergleute, die sich als Rosenhügler fühlten und wie die Siedlungsbauer wenig um die Stadtgrenzen scherten – vor denen wurde unter Tage, beim Abbau des schwarzen Goldes, ja auch nicht Halt gemacht. So konnte es sein, dass die Häuser mitten auf der Stadtgrenze lagen. „Das Kinderzimmer von meinem Schulfreund lag in Gladbeck, ihre Küche in Gelsenkirchen“, erinnert sich Hans Karwig. „18 000 Mark hat unser Haus gekostet, in das wir 1954 einziehen konnten.“ Von den 200 Mark, die sein Vater auf’m Pütt verdiente, „gingen 97 Mark fürs Haus und vier Mark für den Stall als Monatsraten ab.“
Grenzübergreifende Solidarität
Dass die am Rosenhügel gelebte grenzübergreifende Solidarität aber in den Amtsstuben endete, erlebte der kleine „Hannes“, als es an die Einschulung ging. „Obwohl die Antoniusschule für mich die nächste Schule war, musste ich als Gelsenkirchener in Sutum eingeschult werden, „das bedeutete für uns Rosenhügel-Kinder einen Schulweg von acht Kilometern.“
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass bereits vor der ECA-Siedlung Malocher den Traum von der eigenen Wohnung am Rosenhügel verwirklichten. In der Siedlung südlich der Vehrenbergstraße mit den norddeutschen Straßennamen Rostock, Stralsund, Wismar. Häuser, die bereits Ende der 1930er Jahre entstanden, nachdem die Gelsenberg AG den Industriestandort in Horst zur Benzinherstellung ausbaute.
Dieser Siedlungskern von Rosenhügel ist übrigens ebenso wie der höher gelegene Bereich ab Sauerländer Straße durch die Erhaltungssatzung der Stadt Gladbeck geschützt. Mit dem Ziel, das städtebauliche Erscheinungsbild „als Dokument des Werksiedlungsbaues der 30er bis 50er Jahre des 20. Jahrhunderts zu bewahren und Veränderungen zu vermeiden“, die das Ortsbild beeinträchtigen.
Revitalisierung des Markt-Umfeldes
Abseits der Siedlungen sei der Rosenhügel Anfang der 1960er Jahre noch sehr ländlich geprägt gewesen, „mit viel Feldern, Wiesen oder Sumpf, entlang der tiefer gelegenen Gebiete am Hahnenbach“, erinnert sich Hans Karwig.
Eine nahezu dörfliche Idylle „durch die der Bäcker Jäger mit Pferd und Wagen fuhr, bei dem ebenso auf Pump eingekauft und angeschrieben werden konnte wie bei schon lange geschlossenen Kost oder Edeka Terhardt.
Vergangene Zeiten, nachdem die großen Discounter wie in allen anderen Stadtteilen
auch die kleinen Einzelhändler zumeist verdrängt haben. Auch der Rosenhügeler Markt, als ein Zentrum regionaler Nahversorgung, verlor zunehmend Händler. Ein Problem, das in jüngster Zeit von der Stadt mit Revitalisierung des Marktfleckens angepackt wurde. „Weitere Belebung ist durch den Neubau des Netto-Supermarktes zu erwarten“, sagt Hans Karwig, der von seinem Balkon aus quasi einen Logenblick auf den zügig voran schreitenden Neubau hat.
In seinen Blick fällt dabei aber auch eine Sorgenkind: das schwarz verkleidete Hochhaus an der Märker Straße. „Mittlerweile sozialer Brennpunkt mit hohem Leerstand“, sagt er. Mit schwieriger vielfacher Eigentümerlage, „da Wohnungen bundesweit als Renditeobjekt angeboten wurden, ähnlich wie bei der Problemimmobilie Schwechater Straße 38“. Er hoffe, sagt Karwig, „dass sich eine ähnliche Negativentwicklung wie in Rentfort-Nord hier nicht fortsetzt“.
Feste Feiern mit Siedlern und Schubkarren
Dass die Rosenhügeler eine starke Gemeinschaft sind, wird seit Jahrzehnten durch die regelmäßigen Sommerfeste des Siedlerrings Rosenhügel belegt, der – 1954 gegründet – im kommenden Jahr 60-jähriges Bestehen feiern kann.
Alljährlich Feste feiern kann auch ein närrisches Grüppchen besonderer Art. Die
Mitglieder der Schubkarren KG, die zur fünften Jahreszeit seit 1987 einen der kleinsten Jeckenumzüge des Landes organisieren. Ein fröhliches Fest von Nachbarn für Nachbarn, bei dem auch „auswärtiges“ Publikum herzlich willkommen ist.
Überalterung im Auge behalten
„Stadtverwaltung und Politik müssen darauf achten, dass der Stadtteil für junge Familien nicht unattraktiv wird, damit einer weiteren Überalterung entgegen gewirkt werden kann“, sagt Hans Karwig.
Wieder stärker ins Auge gefasst werden sollte so auch die Entwicklung von potenziellen Neubauflächen. Karwig meint dabei konkret die Freifläche im Südosten des Bezirks an der Nelkenstraße, wo etwa 100 bis 150 Wohneinheiten entstehen können.
Ein Blick in die aktuelle Bevölkerungsstatistik belegt Karwigs Forderung. Ende 2012 waren demnach von den insgesamt 4 986 Rosenhügelern (Ausländeranteil 15,5 %) genau 1 119 Menschen 65 Jahre und älter, was einem Anteil von 22,4 Prozent entspricht. Addiert man hierzu die Zahl derjenigen, die 45 Jahre und älter sind, erhöht sich der Bevölkerungsanteil auf deutliche 50,1 Prozent.
Die sinkenden Geburtenzahlen wirken sich auch auf die bislang eigenständigen Nachbarschulen, die Gemeinschafts-Grundschule am Rosenhügel und die Katholische Antoniusschule aus.
Fusion der Grundschulen
Ursprünglich war bereits ein Zusammenschluss ab dem kommenden Schuljahr vorgesehen, der auf Wunsch der Schulgemeinden jedoch auf das Schuljahr 2016/17
verschoben wurde. Durch die Fusion soll langfristig eine vierzügige Grundschule im Stadtteil gesichert sein. In die Gebäude des Grundschulzentrums hat die Stadt aktuell mit umfangreichen, auch energetischen Sanierungen investiert.
Zudem sollen im Gebäudetrakt der Grundschule am Rosenhügel freie Raumkapazitäten bereits nach den Sommerferien der Roßheideschule zugeschlagen werden. Die Sonderschule weitet ihr Förderangebot im Bereich „Emotionale und soziale Entwicklung“ künftig für die Sekundarstufe bis zur Jahrgangsstufe 10 aus. Damit will die Gladbecker Förderschule ihrerseits den Bestand sichern, da mit rückläufigen Schülerzahlen einerseits durch die demografische Entwicklung, anderseist durch den Ausbau des Inklusionsangebotes an Regelschulen zu rechnen ist.
Das Rätsel Rosenhügel
Rosenhügel – klingt schön, irgendwie romantisch,was so wenig mit der harten Malocher-Vergangenheit rund um Kohle und Öl zusammenpassen will. Nur, woher kommt der Name des Stadtbezirkes?
Der Verein für Orts-und Heimatkunde Gladbeck erklärt dazu wage, dass die Flurbezeichnung Waterhuk ein etwas höher gelegenes Gelände (Huk = Huckel) zwischen Emscherniederung und Hahnenbach bezeichnet. Und: „Auch der neuere Name Rosenhügel gibt eine Geländeform wieder, eigentlich eine neuere Form des alten Namens Waterhuk.“
Eine pragmatischere Erklärung lässt sich im Stadtarchiv finden. In einem Zeitungsartikel aus den 1930er Jahren erklärt der Autor zur Braucker Höhe am Rande des Emscherbruches: „Der Ausdruck Rosenhügel hat nichts mit Rosen zu tun, sonder hängt mit einem alten Horster Namen zusammen. Im vorigen Jahrhundert errichtete nämlich ein Rose auf dem Hügel eine Ziegelei.“
Zumindest zum Unternehmer müssten sich doch Belege finden lassen. Hinweise und erhellende Informationen dazu bitte gerne an die Redaktion weiterleiten!