Gladbeck. . Drei Siedlungen und Gladbecks größtes Industriegebiet bilden zusammen Ellinghorst, einen Stadtteil mit dörflichem Charakter. Bergbautradition, Siedlergeist und Gescheinschaftssinn verbinden die Bewohner. Ein gutes Gespräch schlägt hier niemand aus.
„Gott hat die Erde nur einmal geküsst, und das an dem Ort, wo Ellinghorst heut ist.“ Wenn es nach Christiane Günthör geht, dann ist ihr Stadtteil das Paradies. Ein Dorf, nein, eigentlich drei Dörfer im Südwesten Gladbecks: die Bergarbeitersiedlung rund um den Luftschacht, die Eigenheimsiedlungen Am Haarbach und das Pestalozzidorf.
„Königreich Ellinghorst“, so sieht es Christiane Günthör, einst Schützenkönigin im Stadtteil. Einen besseren Wohnort als ihre Luftschachtsiedlung könnte sie sich nicht wünschen. Das liegt vor allem an den Menschen. „Es ist so toll, dass man sich hier kennt“, sagt die 45-jährige Lokalpatriotin. „Hier ist es heimelig“, sagt sie. „Ellinghorst ist, wenn ich draußen in Adiletten und kurzen Hosen rumlaufen kann, und der Nachbar sieht genauso aus.“
Rauschen der A2
Viel Fläche, aber wenige Bewohner
Flächenmäßig ist Ellinghorst mit knapp 620 ha nach Zweckel (knapp 650 ha) der zweitgrößte Stadtbezirk – bei 3082 Einwohnern. Damit ist Ellinghorst der am zweitwenigsten besiedelte Stadtteil. Gut 177 ha sind landwirtschaftliche Flächen, mehr als 142 ha Waldflächen und gut 94 ha Grünflächen. Zum Vergleich: Die Fläche für Wohnbebauung umfasst 60 ha.
Interessant: Mehr als 36 ha des Ellinghorster Gebietes sind Wasserflächen. Ellinghorst hat eine eigene Autobahn-Abfahrt: Gladbeck-Ellinghorst an der A 2.
Ellinghorst ist ein Ortsteil, der dem Bergbau seine Existenz verdankt. Noch immer wohnen viele ehemalige Kumpel dort. Die meisten arbeiteten auf Rheinbaben (Bottrop) und auf Möller.
Mit 6,1 Prozent ist Ellinghorst der Stadtteil mit dem drittkleinsten Ausländeranteil. Die größte Bevölkerungsgruppe sind mit 827 die 45- bis 60-Jährigen, gefolgt von den 27- bis 45-Jährigen, die 665 Köpfe zählen. Über 65 Jahre alt sind 587 Ellinghorster.
Die Ellinghorster sind überproportional konfessionell gebunden: 44,1 % sind katholisch, 28,1 % evangelisch (im Schnitt sind in Gladbeck 38 % katholisch und 26,5 % evangelisch.
Das beständige Rauschen, das von der Autobahn kommt, ist ein verbindendes Element zwischen den drei Siedlungen. Egal ob Pestalozzi, Haarbach oder Luftschacht: Das Rauschen ist immer da, aber daran stört sich niemand. Dann wohl schon eher am Schwerlastverkehr, der über Beisen- und Bottroper Straße donnert. Ellinghorst hat in Gladbeck die größte Ansiedlung produzierender Betriebe. Die großen Firmen wie Rockwool, Döllken und weitere bringen Arbeitsplätze – und eben auch Verkehr und eine eigene Autobahnabfahrt.
Bitte Abbiegen
In Ellinghorst ist es wie an so vielen Orten auf der Welt: Die schönen Ecken erschließen sich den Besucher nicht von allein. Abbiegen, das ist der Schlüssel. Nach links, in die Maria-Theresien-Straße zum Beispiel, ins Herz der Luftschacht-Siedlung. Ein Mekka für Ruhrpott-Liebhaber. Zechenhäuser in unterschiedlichen Renovierungszuständen, Gärten, liebevoll gepflegt, Menschen, so nahbar. Der Plausch an der Straße entwickelt sich fast von allein, zum Beispiel mit dem ehemaligen Bergmann Heinrich Baldes, der auf der Bank seines Häuschens sitzt.
Ein paar Ecken weiter wartet ein Grüppchen auf den Bus. „Wir fahren zur Brauereibesichtigung“, erklärt Dieter Gatzmanga, er ist der Wirt der einzigen Kneipe im Viertel, „Haus Dörnemann“. Eine Kneipe, wie sie im Buche steht, vom 50er-Jahre-Mobiliar bis zum Flipper-Automaten.
Nicht ganz so zugänglich zeigen sich die Siedlungen Am Haarbach und entlang der Durchholzstraße . Was bestimmt nicht daran liegt, dass die Bewohner weniger freundlich sind, sondern eher daran, dass dort eben traditionelle Eigenheime stehen. Unbeobachtet bleiben Besucher jedoch auch dort nicht. Und wer freundlich grüßt, wird in Ellinghorst überall herzlich empfangen.
Jung und alt zusammen – eine gute Mischung
Dass Ellinghorst ein lebenswerter Stadtteil ist, da waren sich die Besucher am WAZ-Mobil an der Maria-Theresien-Straße einig. Kurt Hildebrandt lebt seit 76 Jahren in der Luftschacht-Siedlung, seit 50 Jahren in seiner Wohnung an der Straße Unverhofft. Fortzuziehen – das wäre für den ehemaligen Bergmann nie in Frage gekommen. Im Verein „Lebenswerter Wohnen Luftschacht“ engagiert er sich für sein Viertel.
Er schätzt die Ruhe in der Siedlung: „Es gibt hier keinen Durchgangsverkehr.“ Und er hält große Stücke auf den Zusammenhalt. Auch wenn sich das Miteinander im Laufe der Jahre, besonders seit viele der Häuser in der Siedlung zu Eigenheimen wurden, verändert hat. „Eigentümer ziehen ihre eigenen Grenzen“, sagt er. Da könne es schon einmal Streit geben über eine Gartenlaube. Und doch, die Zugehörigkeit stehe nie in Frage. „Jung und Alt zusammen, das ist eine gute Mischung.“
Bessere Nahversorgung
Was Kurt Hildebrandt sich wünscht, ist eine bessere Nahversorgung. „Früher brauchte man nirgends anders hin“, erinnert er sich, Lebensmittelhändler, Bäcker, Friseur – alle hatten Geschäfte vor Ort. Heute gibt es noch das Haus Dörnemann, die Kneipe von Dieter Gatzmanga, eine Pizzeria, die auch polnische Spezialitäten anbietet, ein paar weitere Imbisse, und den „Musik Pub“ an der Eikampstraße im Pestalozzidorf. Wer einkaufen will, muss Richtung Innenstadt fahren. „Wenigstens eine Einkaufsmöglichkeit für die älteren Leute“ wünscht sich Hildebrandt – zur Not auch einen rollenden Supermarkt, wie es ihn auf dem Lande häufig gebe.
Auch ein Treffpunkt für Jugendliche fehlt. Die Pfadfinder treffen sich im Pfarrheim der ehemaligen Kirche St. Elisabeth, aber das ist nicht immer geöffnet. Als Ausweichtreff dient der Schulhof der Albert-Schweitzer-Grundschule. Auch so ein Thema in Ellinghorst. Die Schule soll auslaufen, „2017/18 sollen die letzten Kinder eingeschult werden.“ Die Kirche entweiht, die Schule vor der Schließung, das sei kein gutes Signal, vor allem nicht für die jungen Leute im Neubaugebiet an der Maria-Theresien-Straße. „Man hat die Familien hierher gelockt, mit Kindergarten, Schule, Kirche“, sagt Hildebrandt.