Gladbeck. .

Von wegen, gute alte Zeit. Anno 1913 ist die Kluft zwischen Arm und Reich tief. Die Industriealisierung schafft zwar Arbeitsplätze, doch der Wandel reißt auch gewachsene gesellschaftliche Strukturen nieder, wirft Vertrautes über den Haufen. Der Erste Weltkrieg dräut.

Von wegen, schöne neue Welt. Die Folgen der Globalisierung machen der Bevölkerung im Jahre 2013 zu schaffen; europaweit suchen (junge) Menschen einen Arbeitsplatz. Terrorismus verbreitet Angst und Schrecken. Und, so beklagen Politiker wie NRW-Minister Guntram Schneider: „Die Schere zwischen Arm und Reich in unserem Land wird immer größer.“

Kopf und Kragen riskiert

Damals wie heute sieht sich die SPD vor einem großen Berg von Aufgaben. Das erging den Genossen, die vor 100 Jahren den Ortsverein Zweckel gründeten, nicht anders als denjenigen Mitgliedern, die sich den aktuellen Herausforderungen der Zeit stellen. Die Zweckeler feierten am 1. Juli 1908 den ersten Spatenstich für ihre Schachtanlage. „Mit den Bergarbeitern kamen selbstverständlich auch Sozialdemokraten nach Zweckel. Sie wurden 1912 nach dem verlorenen Bergarbeiterstreik gemaßregelt, gingen aber allen Widerständen zum Trotz an die Arbeit, für ihre Partei zu werben“, berichtet die Geburtstags-Festschrift. Und auch Jahrzehnte später war es nicht gerne gesehen, wenn jemand Genosse war, weiß Friedhelm Berse. Er gehört zu den dienstältesten Zweckeler SPDlern und erzählt: „Unser ehemaliger Pastor hat gesagt: ,Wer keiner christlichen Partei angehört, hat kein Anrecht auf den Himmel’.“ Doch diese Drohung konnte etliche SPD-Anhänger nicht bremsen – wenngleich die Mitgliederzahlen im Laufe der Jahrzehnte schwanden.

In ihrer Blütezeit zählte der Ortsverein etwa 500 Köpfe. Norbert Dyhringer: „Zurzeit haben wir knapp 160 Mitglieder.“ Das Gros mit weit mehr als der Hälfte sei älter als 60 Jahre. In den Parteianfängen riskierten Sozialdemokraten Kopf und Kragen wegen ihrer politischen Arbeit. Heutzutage könnten sie sich ohne Ressentiments engagieren. Tun viele aber nicht . . . Für Berse sei es einfach selbstverständlich gewesen, in die SPD einzutreten: Diese Haltung sei im Elternhaus verwurzelt gewesen. Und: „Wer in der Gewerkschaft ist, muss auch in die SPD eintreten.“ Norbert Dyhringer entsinnt sich noch des „Dreiklangs“: SPD-Gewerkschaft-Arbeiterwohlfahrt. Annemarie Kerber „heiratete in ein SPD-Haus ein“.

Klaus Stiemer sagt über sich: „Die Figur Willy Brandt hat mich sehr geprägt.“ Er, der seinerzeit in Gelsenkirchen eingetreten ist und Juso-Vorsitzender war, hat eine Erkenntis, die sogar Dyhringer überrascht: Bereits damals rannten keineswegs junge, tatendurstige Menschen der Partei die Bude ein und rissen sich um Posten.

Maurice Zurhausen, eines der jüngsten Mitglieder, über seine Generation: „Ich merke kein politisches Interesse; ich spüre Politikverdrossenheit.“ Er will Jugendrecht stärken. Michael Dadek sieht in der Parteiarbeit eine Chance, etwas in Gladbeck zu bewegen: „Man möchte doch etwas verbessern in der Stadt.“ Er sieht sich als „Sprachrohr“, denn: „Man darf nicht nur schimpfen!“

Annemarie Kerber erinnert sich: „1963 sind hier alle Zechen plattgemacht worden. Da stellte sich die Frage: Was können wir für die Bevölkerung erreichen.“ Anno 2013 haben sich die Probleme zwar geändert, aber, so Dyhringer: „Wir wollen eine Kümmererpartei sei.“