Gladbeck. .

Ob mit sexy Rundungen oder rank und schlank; ob knubbelig oder wohlgeformtes Modelmaß; ob eine zarte Pfirsichhaut oder puschelig behaart. Bernhard Schregel liebt sie alle, seine „Untermieterinnen“. Und das ist schon ein Kunststück bei rund 400 Schätzchen. „Ich versuche, alle gerecht zu behandeln“, beteuert der 58-Jährige. Hervorstechende „Lieblinge“, die gibt’s für ihn nicht. Aber er muss seine Herzblättchen ohnehin mit äußerstem Fingerspitzen- und Zartgefühl behandeln. Die exotischen Schönheiten brauchen hier – fernab der Heimat – schließlich ein Wohlfühlklima, um zu gedeihen. Dass die eine oder andere ausgesprochen widerborstig ist – wen kratzt das schon?

Bernhard Schregel jedenfalls nicht, und ihn hat Amors Pfeil bereits gepiekt, als er noch ein Junge war. „Schon als 13-Jähriger hatte ich meinen ersten Kaktus“, plaudert er. Damals entflammte der spätere Chef der Grünflächenunterhaltung beim Zentralen Betriebshof in Leidenschaft für die stacheligen Pflanzen und ihre sanfteren, weil weniger kratzbürstigen Verwandten, die Sukkulenten. Und dieser Liebe hält Bernhard Schregel seit Kindertagen die Treue.

Beim Anblick seiner Pflanzen geht für den Sammler und Züchter – „Ich habe auch schon selbst Biene gespielt“ – die Sonne auf. Dann steht er inmitten seiner Kakteen und Sukkulenten, die einträchtig auf knapp zehn Quadratmetern unterm Glasdach Seit’ an Seit’ „wohnen“, und strahlt ob der Vielfalt. Manche Namen sind bisweilen ebenso sperrig wie ihre Trägerinnen. Mammillaria, von zarten Blüten übersät; Astrophytum mit lanzenartigen Stacheln; Opuntien, ebenfalls nicht zum Kuscheln geeignet. Schregel kennt jeden einzelnen seiner Lieblinge beim Namen; unter den Sukkulenten hat der Laie vielleicht schon von Euphorbiaceae als Wolfsmilchgewächse gehört, und die dickfleischige Aloe Vera dürfte ebenfalls manch einem ein Begriff sein.

Mit Wärme in der Stimme kommen Schregel die lateinischen Fach-Bezeichnungen über die Lippen. Es scheint, als würde er am liebsten die pelzigen, mannshohen Gestalten streicheln. Sie haben sich – so sieht’s wenigstens aus – in ein wolliges Fell gehüllt – als Fraßschutz. Apropos. Er schwärmt: „Diese hier, die fühlt sich so weich an wie Hundeohren!“ Andere hingegen, die bettet er lieber zwischen zwei Styroporplatten, um die Widerspenstigen beim Umtopfen zu zähmen.

Der 58-Jährige gibt zu: „Viele Kakteen sehen ähnlich aus. Da weiß man erst, wenn sie blühen, wen man vor sich hat.“ Und dennoch hegt Schregel diese Leidenschaft für diese Pflanzen, die oftmals eher ein Mauerblümchen-Dasein fristen und im Schatten farbenprächtigerer stehen – Rosen, Tulpen, Nelken . . . Über die sagt Schregel: „Die sind zu stolz.“ Er findet „Rosen ordinär – keine Herausforderung. Seine Kakteen, ja die sind „bescheiden“. „Manchmal ist die Pflanze kleiner als ihre Blüte!“

Wenn dieser Zustand erreicht ist, dann hat Schregel fast Schmetterlinge im Bauch: „Es ist ein Erfolg, wenn sie blühen!“ Einen echten Stich landet der Kenner, wenn er die „Königin der Nacht“ aus dem Dornröschenschlaf wecken kann. „Jede blüht nur eine Nacht“, so Schregel. Sie verbreitet dann einen betörenden Duft.

Während sich Schregel behutsam zwischen den Blumentöpfen hindurchlaviert, wirkt die Sommersonne wie ein Brennglas durch das Fensterglas. Der Schweiß perlt auf der Stirn, doch was tut man (Mann) nicht alles für die Liebe . . . Nein, eine Mimose darf er bei diesem Hobby nicht sein. Schregel witzelt: „Man muss schon einen leichten Hang zum Masochismus haben“, denn eine wahre Kakteen-Liebe ohne schmerzhafte Bekanntschaft mit den Stacheln, die gibt’s nicht.