Gladbeck.

Eine bunte Blumenwiese, strahlend blauer Himmel und eine glücklich winkende Familie – gezeichnet von einem Mädchen im Kindergartenalter. Eine vermeintliche Idylle, die sich aber ins Gegenteil kehren kann, wenn man versteckte Bildsymbole als Schlüssel zur leidenden Kinderseele deuten kann. Wie das geht, erklärte Diplom-Psychologin Kerstin Klabuhn am Dienstagabend im Haus der VHS, beim Vortrag: Was Kinderzeichnungen erzählen.

Mit Spannung warteten Eltern und Erzieherinnen im bis zum letzten Platz gefüllten Vortragssaal auf konkrete Details, um besser das deuten zu können, was die Psychologin einleitend aufzeigte, „dass die spontanen Bilder Auskunft über das psychische Befinden und die Entwicklung der Kinder geben“.

Was folgte war eine Fülle an Information zu folgenden Themen:

Je gesünder eine Kinderpersönlichkeit, um so ausgewogener sind die Zeichnungen und um so vielfältiger ist die Farbwahl. Ein seelisch normales Kind nutzt fast alle Farben, die

Diplom Psychologin Kerstin Klabuhn.
Diplom Psychologin Kerstin Klabuhn. © privat

ihm zugänglich sind. Auffällig ist so, wenn bedrohlich viel schwarz gemalt wird. Aber Vorsicht vor Fehlinterpretation! Das grüne Gesicht des Vaters müsse kein Alarmzeichen sein, könne einfach daran liegen, dass dies eine Lieblingsfarbe ist, „oder gerade kein anderer Stift zur Hand war“, so Kerstin Klabuhn.

Wie sieht sich das Kind selbst im Bild? Malt es sich genauso groß wie andere Personen, kleiner oder größer? Auch gemalte Tiere können Stellvertreter sein. Ist das Kind ein mächtiger Löwe oder ein kleiner Wurm, der angebrüllt wird?

Wie steht es in Beziehung zu anderen Personen oder Gegenständen? Kinder, die sich bedroht fühlen, zeigen das in ihren Bildern. Blitz und regnet es? Wie ist der Gesichtsausdruck des Kindes, fröhlich oder ängstlich? Hat das Kind Körperteile weggelassen? Kinder ohne Hände oder Beine fühlen sich möglicherweise handlungs- oder bewegungsunfähig. Und ein Kind ohne Gesicht lässt sich als ein Niemand quasi selbst verschwinden.

Stellt das Kind sich selbst in den Mittelpunkt der Gruppe? Dann fühlt es sich in der Familie geborgen und hat ein gesundes Selbstbewusstsein entwickelt.

Sexueller Missbrauch

Tauchen Genitalien in kindlichen Zeichnungen auf, ist das kein Grund, sofort auf sexuellen Missbrauch zu schließen. „Sobald Kinder damit beginnen, sich mit ihrer Sexualität auseinander zu setzen, findet das Thema auch Eingang in ihre Lebenswelt und Bilder“, sagt Kerstin Klabuhn. Ein möglicher Missbrauch könne durchaus verborgener und symbolhafter dargestellt werden. Gibt es beispielsweise die bedrohliche Personendarstellung eines Mannes? In welchen Farben ist er gezeichnet? Taucht ein Bett in der Zeichnung auf? Trägt der Mann einen langen Gegenstand mit sich oder hält ihn in der Hand (Penisersatz)? Kerstin Klabuhn warnt aber davor, dass Eltern ihren eigenen Zwist in Bilder interpretieren. Wie die vom Vater getrennt lebende Mutter, die viele ejakulierende Penisse im Bild sah, „wobei das Kind lediglich eine Fabrik mit einigen rauchenden Schloten gemalt hatte“.

Oder steht es klein und verloren am Rand der Familienrunde? Dann empfindet es sich sicher als ebenso unbedeutend.

In welcher Beziehung steht es zu Mama und Papa? Malt es je einen Elternteil an seine Seite, sind beide für das Kind (gleich) bedeutsam. Malt es sich größer oder ebenso groß wie Erwachsene, so fühlt es sich ebenso wichtig. Wo sind Bruder/Schwester platziert? Wie detailreich werden die Familienmitglieder gemalt. Gibt es Unterschiede? Wie ist die personenbezogene Farbwahl? Wirkt ein Familienmitglied bedrohlich? Ist eine Person, sind Körperteile übermächtig groß gezeichnet (Hand, die schlägt – Mund, der schreit)?

Kerstin Klabuhn mahnte abschließend vor Alleingängen und Schnellschüssen bei der Bild-Interpretation. Erkannte Auffälligkeiten sollten weiter unter Hinzuziehung von Fachleuten (Psychiatrischer Dienst) untersucht werden. Ein riesiger, starker Vater könne auch als erhoffter Beschützer vor einer anderen Person so auffällig gemalt sein.