Vater Bernard Brokamp hat oft genug von seiner Arbeit unter Tage erzählt. Aber so richtig vorstellen konnte sich das der 18-jährige Filius Benedikt nicht. Jetzt weiß er, wie es unter Tage aussieht, denn gemeinsam mit seinem Vater unternahm er eine Grubenfahrt.
„Glück auf!” Der 18-jährige Benedikt Brokamp hatte sich bis vor kurzer Zeit schon öfter gefragt, warum sich Bergleute immer und überall so grüßen. Inzwischen, nach einer Grubenfahrt auf der Bottroper Schachtanlage Prosper-Haniel, meint er: „Jetzt kann ich das verstehen.”
Gehört hat er den Bergmannsgruß ungezählte Male. Schließlich hat Vater Bernard Brokamp sein ganzes Arbeitsleben auf dem Pütt verbracht – angefangen mit der Ausbildung auf der Zeche Hugo als Schlosser, später dann dort als Steiger, bis auf Hugo im Jahr 2000 die letzte Schicht gefahren wurde; im Abbau auf Friedrich Heinrich in Kamp-Lintfort war er danach und zuletzt als Herrichtungssteiger auf Auguste Viktoria in Marl.
Wie so viele Pütts ging auch Bernard Brokamp in den Vorruhestand. Vor anderthalb Jahren war das. Aber im Hause Brokamp ist das Kapitel Bergbau damit nicht geschlossen. Dafür sorgen schon IGBCE und Geschichtskreis Zeche Graf Moltke. Es verwundert also nicht, dass Sohn Benedikt nun endlich einmal mit eigenen Augen sehen wollte, was der Papa einige hundert Meter unter der Erde tatsächlich so getrieben hat.
„Ich habe natürlich davon erzählt”, sagt Bernard Brokamp, „aber so richtig vorstellen konnte sich Benedikt das nicht.” Der hat inzwischen ziemlichen Respekt vor dem, was die Kumpel unter Tage leisten, nachdem er im Bottroper Untergrund geschwitzt und gefroren hat, schwarz geworden ist, Enge erlebt und direkt vor Ort gesehen hat, wie beeindruckend doch die Maschinerie ist, die dem Berg entreißt, was noch vor nicht allzu Zeit auch hierzulande als schwarzes Gold galt.
„Die Kaue hier ist noch klein”, erfuhr der Schüler des Heisenberg-Gymnasiums zu seinem Erstaunen, wo er doch selbst gemeint hatte, das hier sei schon ein riesengroßer Raum. „Ich kannte das ja nur von Bildern”, meint er und berichtet dann, wie er – ausgerüstet mit der richtigen Bekleidung, mit Helm, Lampe, CO2-Umwandler – in den Korb kletterte, um mit neun Meter pro Sekunde auf 900 Meter Tiefe zu rasen.
„Anfangs war es noch richtig hell”, beschreibt er seinen Weg unter Tage per Zug und zu Fuß, viereinhalb Kilometer lang. „Dann wurde es immer dunkler und schwärzer, überall Maschinen. Es wurde auch immer wärmer und ich habe angefangen zu schwitzen.” Schließlich, am eigentlichen Ort des Geschehens angekommen, muss er staunen, „dass da pro Sekunde viereinhalb Meter Kohle abgeschnitten werden. Teilweise fallen richtige Brocken auf das Band. Und wie sich dann die Schilde nach vorne gezogen haben . . .”
Am Bergmanns-Vokabular muss Benedikt Brokamp noch feilen. Dass man sich besser umsichtig bewegt, hat er schon gelernt: „Auf dem Rückweg bin ich mit dem Kopf angeschlagen, aber ich hatte ja den Helm auf. Es gibt auch Stellen, wo man in den Boden einsinkt, überall liegen Kabel.”
Froh, wieder oben zu sein
Er sei schon froh gewesen, nach gut drei Stunden wieder oben zu sein, gibt der 18-Jährige gern zu, „aber es hat mir auch viel Spaß gemacht. Ich konnte mir das vorher nicht richtig vorstellen und irgendwie war es doch anders, als ich mir das nach den Erzählungen gedacht habe. Vor allem hat mir gut gefallen, wie die Kumpel miteinander umgehen.” Eine ganze Schicht unten zu arbeiten, das sei schon sehr harte Arbeit, meint Benedikt Brokamp. „Es war ja schon anstrengend, nur zuzugucken.”
Nicht nur ihm, sondern auch seinem Vater sei es wohl wichtig gewesen, dass er die Arbeit unter Tage einmal mit eigenen Augen gesehen habe, meint der Heisenberg-Schüler. Der ist nach diesem Erlebnis „auf jeden Fall dafür, dass der Bergbau erhalten bleibt”. Und er kann sich sogar vorstellen, das zu seinem künftigen Beruf zu machen. Nach einem Studium sei das durchaus eine Option. „Vielleicht nicht im Kohlebergbau, obwohl die Vorräte noch für 400 Jahre reichen. Aber es gibt ja auch Salz- und Erzabbau.”
Und schließlich: Bergbau ist Familiensache. „Mein Opa hat das gemacht, mein Vater, mein Bruder”, sinniert der 18-Jährige. Warum also nicht auch er?