Die Situation der Christen im Nahen Osten nach dem Arabischen Frühling und insbesondere ihre Lage in der Türkei war Thema einer kreiskirchlichen Pfarrkonferenz des Evangelischen Kirchenkreises Gladbeck-Bottrop-Dorsten, zu der Superintendent Dietmar Chudaska als fachkundigen Referenten Kirchenrat Gerhard Dunker, Bielefeld, begrüßen konnte.

Durch die gegenwärtigen Umbrüche im Nahen Osten seien die christlichen Minderheiten schwer betroffen. „Ihre Existenz steht auf dem Prüfstand“, beschrieb der Islambeauftragte der westfälischen Landeskirche die gegenwärtige Situation in Ägypten, dem Irak und in Syrien.

„Die Christen sind hineingezogen in den Streit um die Macht, wobei sie nicht nach Macht streben, sondern als Minderheit ihr Daseinsrecht behaupten wollen“, führte Dunker aus. Die Lage im Libanon sei so angespannt, dass ein Funke genüge, um eine Explosion an Gewalt auszulösen. Und im Irak sei es ebenfalls nicht einfacher geworden.

In der Türkei hätten viele Christen den heutigen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan gewählt. Die Türkei garantiere für alle Menschen die persönliche Religionsfreiheit, die Scharia sei kein geltendes Recht. „Dennoch haben die christlichen Kirchen im Land erhebliche Probleme.“ Das größte sei der fehlende Rechtsstatus. „Hat eine Kirche keine Rechtspersönlichkeit, ist sie juristisch gesehen praktisch nicht existent. Sie kann keine Mitarbeiter einstellen, keine Verträge schließen, noch nicht einmal ein Bankkonto eröffnen oder einen Telefonanschluss beantragen“, gab der Islambeauftragte zu bedenken. Neben der Statusfrage sei das zweite große Problem für die einheimischen Kirchen die Ausbildung von Geistlichen, die zurzeit in der Türkei verboten ist. Dunker: „Die Wiedereröffnung der christlich-theologischen Hochschulen, die seit 1971 geschlossen sind, bleibt eine dringende Forderung.“

Als winzige Minderheit – von rund 70 Mio Einwohnern ist nur noch etwa jeder Tausendste Christ – hätten die christlichen Kirchen kaum eine Überlebenschance. Ob die Türkei noch wirklich Mitglied der EU werden will, ist nach Dunkers Ansicht ungewiss. „Aber sie ist auf dem Weg zu einer offeneren Gesellschaft. Und die türkischen Christen werden ein Teil davon sein.“