Gladbeck.

Die Stadtfinanzen, die Folgen des demographischen Wandels für die Stadtstrukturen, aber vor allem Dingen das ungelöste Problem der B 224 standen im Mittelpunkt des Neujahrsempfangs der Stadt am Freitagabend im Ratssaal des Alten Rathauses.

In den beiden offiziellen Reden, aber auch in vielen Einzelgesprächen beim Small-Talk hinterher wurde oft von einer vertanen Chance durch das Nein beim Bürgerentscheid im letzten Jahr gesprochen.

Nach Ansicht von Bürgermeister Ulrich Roland „war, ist und bleibt“ die Lösung der drängenden Verkehrsprobleme auf der stau- und unfallträchtigen B 224 ein zentrales Ziel der Stadt. „Denn unsere Region braucht eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur.“ Das Ergebnis des Ratsbürgerentscheids, beteuerte Roland, müsse aber respektiert werden. „Egal, wie man selbst dazu steht, sonst nimmt unsere Demokratie Schaden.“ Große Hoffnung setzt der Bürgermeister auf eine neue Projektgruppe, die es erstmals gebe und durch NRW-Verkehrsminister Michael Groschek eingerichtet wurde. Bis zum Sommer werde die Projektgruppe Vorschläge für ein umfassendes Mobilitätskonzept für die Region vorlegen, in dem die B 224 ein Baustein sein wird. Roland: „Ich hoffe, dass dies endlich die richtigen Antworten für unsere Region bringt. Denn eins steht fest: So, wie es ist, kann es nicht bleiben.“

Gastredner wurde sehr deutlich

Deutlicher wurde Gastredner Dr. Herbert Müller, Döllken-Manager und Vorsitzender des Vereins der Gladbecker Wirtschaft (VGW): „Hier wurde eine historische und geniale Chance vertan, Gladbeck - einem Quantensprung ähnlich - für die nächsten Generationen deutlich attraktiver zu machen.“ Selbstkritisch müsse man sich fragen: Was ist da schiefgegangen? Müller: „Auch wir aus der Wirtschaft müssen uns an die eigene Nase packen, wir hätten viel aktiver, deutlicher und intensiver ein klares Ja zum Ausbau formulieren und durch plakative Aktionen unterstützen müssen.“

Aber statt partei-, funktions- und gesellschaftsübergreifend die historische Chance zu nutzen, Gladbeck zu verbessern, seien überwiegend Partikulärinteressen kommentiert und publiziert worden, kritisierte Müller. „Ein gemeinsames Ziehen an einem Strang, ein uneingeschränktes, bedingungsloses Ja zum nach Jahrzehnten erzielten Lösungsvorschlag war dagegen nirgends erkennbar.“ Statt auf Risiken hätte viel mehr auf die Chancen verwiesen werden müssen. Der VGW fordere jedenfalls, so Müller, nach wie vor mehrheitlich den Ausbau der B 224 zur A 52. „Mit dem jetzigen Zustand und ein paar fine-tuning-Pseudo-Maßnahmen geben wir uns nicht zufrieden.“

Eine gute Nachricht für Gladbeck und seine Stadtfinanzen sei der Stärkungspakt, so der VGW-Vorsitzende. Der Mittelzufluss werde sicher viel Geld in Form von Infrastrukturmaßnahmen den Gladbecker Bürgern und damit auch den Unternehmen zugute kommen. Überraschenderweise kritisierte Müller nicht die beschlossene deutliche Erhöhung der Gewerbesteuer, sprach nur generell von Kürzungen und Einsparungen, „die nicht unbedingt froh machen“.

Bürgermeister Roland rechtfertige die Steuererhöhungen, sprach von einem ausgewogenen Mix von Einnahmeerhöhungen und Ausgabenkürzungen. Die Alternative wären Schließungen zahlreicher Einrichtungen mit drastischen Auswirkungen aufs Stadtleben. „Das kann keiner wollen.“ Die Stadt werde sich kleiner setzen und mit Qualität punkten, sagte das Stadtoberhaupt. Punktuell werde bei allen Kürzungen auch investiert.

Das sei gleichzeitig ein Beitrag, dem demographischen Wandel mit einem Rückgang der Einwohnerzahlen zu begegnen. Gladbeck werde seinen Weg, sich als attraktive Wohnstadt zu etablieren, weiter gehen. Das beinhalte auch ein funktionierendes Miteinander mit Handel, Handwerk und Industrie, so Roland. Gladbeck setze auf den Mittelstand, der breit und solide aufgestellt sei und Hoffnung gebe, so Roland, die sich abzeichnende Konjunktureintrübung zu überstehen.

Am rustikalen Buffet gab es Currywurst

Zum Neujahrsempfang der Stadt kamen rund 300 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Verwal- tung und Gesellschaft. Nach den Reden von Bürgermeister Roland und Wirtschaftsvertreter Müller labten sich die Gäste an einem rustikalen Bufet mit einer Ruhrgebiet-Currywurst als Hauptattraktion. Die Sparkasse sponserte das Buffet.