Gladbeck. Das Thema des Jahres war der erste Ratsbürgerentscheid Gladbecks zum Ausbau der A 52.

GLA A 52. Richtig gelesen: Ein Auto mit diesem Kennzeichen fährt seit ein paar Tagen durch Gladbeck. Hinterm Steuer sitzt Hans Nimphius, manchmal auch Gitta, seine Frau. Und man muss nicht lange rätseln, was den Gewerkschafter und Ex-IG-MetallVorsitzenden Nimphius dazu gebracht hat, diese Buchstaben-Ziffern-Kombination für sein neues Auto reservieren zu lassen. Heimatliebe, klar, will er mit dem GLA ausdrücken: per Autokennzeichen aber auch klar Position beziehen zu dem Thema, das in diesem Jahr die Gladbecker Wogen meterhoch hat schlagen lassen. Der Ausbau der A 52: Monatelang hitzig diskutiert und am Ende per Ratsbürgerentscheid abgelehnt! Der Zankapfel des Jahres, er geht an die A 52.

Aber auch ein Preis für direkte Demokratie könnte verliehen werden, und zwar an die Bürger, die am 25. März die unendliche Geschichte des Ausbaus der B 224 zur A 52 weitergeschrieben haben. 23.277 von 58.201 Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab, 12.991 (55,9 %) brachten sie mit einem Nein-Kreuzchen zu einem (vorläufigen) Ende.

Überraschung des Jahres

Dieses Abstimmungsergebnis war die Überraschung des Jahres – ungläubige und fassungslose Mienen gab es am Abend des 25. März bei den Befürwortern. War doch der 1,5 km lange Tunnel so ziemlich das beste Angebot, das Gladbeck je gekriegt hat für diese Straße, die längst wie eine Autobahn befahren wird, aber eben keine ist. Ein Sieg am Ende langer, zäher Verhandlungen, so sahen es der Bürgermeister und Landtagsabgeordneter Michael Hübner. Doch die schönen Bilder vom Tunnel, in dem die Autos verschwinden würden und die virtuell gepflanzten Bäumchen, die oben auf der Decke wachsen sollten – sie haben so wenig genutzt wie die immer wieder genannten Vorteile für die Stadtentwicklung, den Auftragsboom für die lokale Wirtschaft und die Sicherung von Arbeitsplätzen in der Region. Gladbeck ist keine Insel.

Doch das sah über die Hälfte der Abstimmenden anders. Sie wollen keine Autobahn mitten in der Stadt, wollen beim Spaziergang in Wittringen nicht auf ein 14 Meter hohes A2-Kreuz riesigen Ausmaßes gucken und auch nicht sieben Jahre oder gar noch länger Bagger und Baulärm vor der Tür ertragen! Die Ausbaukritiker waren ja nicht müßig. Sie nahmen die Leute mit auf Spaziergänge rund um die B 224-Trasse und überzeugten sie davon, dass die B 224 verbessert statt neu gebaut werden sollte.

Also: Außer Spesen nichts gewesen? Nein, ganz und gar nicht. Der erste Bürgerentscheid in der Geschichte der Stadt war äußerst lehrreich. In der Analyse der Wählerstimmen zeigte sich, dass offensichtlich die persönliche Betroffenheit des Einzelnen eine entscheidende Rolle in der Abstimmung spielte. Je näher dran die Wähler leben, umso mehr stimmten sie gegen den Ausbau. Je weiter weg die Leute wohnen, umso eher waren sie bereit, den Plänen zuzustimmen. Und, umso weniger interessiert waren sie, die Wahlbeteiligung in Zweckel und Rentfort war geringer als in Stadtmitte und im Süden.

Die direkte Demokratie

So ist die direkte Demokratie. Wer das Volk entscheiden lässt, muss damit rechnen, dass die zur Urne gehen, denen das Thema besonders am Herzen liegt – nicht nur aus politischer oder sachlicher Überzeugung, sondern auch aus persönlicher Betroffenheit. Diejenigen zu mobilisieren, die nur aus Vernunftgründen abstimmen würden, ist dagegen weit schwieriger. Wie heißt es doch: Das Hemd ist dem Menschen näher als die Jacke.

Wäre es denn anders gekommen, wenn der Rat der Stadt allein, und höchstwahrscheinlich pro Ausbau entschieden hätte? Nicht unbedingt. Bürgermeister Ulrich Roland ist überzeugt, dass es dann ein erfolgreiches Bürgerbegehren gegeben hätte und es so ebenfalls zu einem Bürgerentscheid gekommen wäre. Aber „wir wollen kein Stuttgart 21“, war eins der Argumente, die für einen von oben verordneten Bürgerentscheid sprachen. Dieses Signal kam auch von der Landesregierung, die ihre Sympathie für direkte Bürgerbeteiligung in den letzten zwei Jahren deutlich kund getan hat.

Unterm Strich hat der Gladbecker Ratsbürgerentscheid noch ein weiteres gutes Ergebnis erbracht: Die intensive Debatte hat gezeigt, dass den Bürgern die Lebensqualität in ihrer Stadt ganz und gar nicht egal ist. Das ist kein schlechtes Omen für die Zukunft Gladbecks. Und wetten , dass es in 2013 weiter geht mit der Debatte um die A 52?

Ob aber Hans Nimphius irgendwann mit dem GLA A 52-Kennzeichen über die A 52 durch Gladbeck fährt – die Wette wagt derzeit wohl niemand.