Gladbeck.
Quasi rund um die Uhr arbeiten und dafür noch bezahlen – wo gibt’s denn so etwas? Doch, so etwas kommt vor, Jahr für Jahr an zig Schulen. Denn dort gehen Pädagogen mit ihren Schützlingen auf Klassenfahrt, sind also 24 Stunden im Dienst, vermitteln Wissen, trösten Heimwehkranke, stehen permanent parat – und berappen die Kosten für derartige Ausflüge obendrein aus eigener Tasche.
Gabriele Jesenek hat in den 37 Jahren ihrer Lehrertätigkeit auf unzählige Fragen Antworten finden müssen. Nicht dazu gehört offenbar: Warum begleiten sie und Kollegen immer wieder Schüler auf Klassenfahrten, obwohl es weder eine finanzielle Unterstützung noch einen Freizeitausgleich für dieses Engagement gibt? Die Sportlehrerin am Riesener-Gymnasium runzelt die Stirn, denkt einen Augenblick nach: „Ja, warum mache ich das? Ich fahre einfach gerne mit den Kindern. Es macht mir Spaß.“
Gericht hat ein Urteil gefällt
Dieses Argument genügte einem Oberstudienrat im Sauerland nicht, um die gängige Praxis zu akzeptieren. Er hatte zwar einen Verzicht auf Reisekostenvergütung
„Wir sind alle zufrieden!“
Bei Alrun ten Haven, Leiterin der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule, und ihrem Kollegium stößt der Urteilsspruch auf Zustimmung: „Wir sind alle fürchterlich zufrieden.“ Nicht, dass sich bislang Pädagogen ihres Hauses – mit Blick auf die (finanzielle) Belastung – gesträubt oder gar geweigert hätten, eine Klassenfahrt zu betreuen. „Unsere Lehrer sind sehr engagiert. Der Sinn einer Klassenfahrt steht immer im Vordergrund“, so Alrun ten Haven. Sie betont: „Unsere Lehrer sind dabei!“
Aber die Schulleiterin sagt auch: „Es ist ein Unding, dass Lehrer einen guten Teil einer Fahrt privat bezahlen müssen.“ Einen „guten Teil“, das heiße: „Es gibt eine Pauschale, die man bei der Bezirksregierung beantragen kann. Der Beitrag richtet sich nach der Anzahl der Kinder an einer Schule.“ Im Durchschnitt unternehmen die Mädchen und Jungen in ihrer Laufbahn an der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule drei bis vier Klassenfahrten. Über das Kostenlimit pro Kopf entscheide die Schulkonferenz: „In der Oberstufe sind es etwa 250 Euro.“
Ihr Kollege Daniel Kroll rechnet: „Für drei Fahrten muss ein Lehrer schon mal 1000 Euro ausgeben.“ Bislang hätten Pädagogen verzichten müssen. Der Leiter der Werner-von-Siemens-Realschule meint: „Das Zusammensein ist schon schön, aber es bedeutet auch schlaflose Nächte und eine große Verantwortung.“ Eine siebentägige Skireise, wie sie in der Stufe 8 vorgesehen sei, schlage mit etwa 300 Euro zu Buche. Vorgesehen sind an der Siemens-Realschule insgesamt drei Klassenfahrten.
Andererseits „gehören Klassenfahrten schon zur Schule dazu. Das steht in der allgemeinen Dienstordnung.“ Für Daniel Kroll ist unstrittig, dass alle Kollegen Fahrten begleiten, eine Ungleichbehandlung will er nicht dulden. „Wir sind hier schließlich eine Schule und keine Ansammlung von Individualisten!“
unterzeichnet, machte aber gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen eine Summe geltend. Das lehnte die zuständige Bezirksregierung in Arnsberg ab – und der Pädagoge zog vor Gericht.
Der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat nun sein Urteil gefällt: Beamtete Lehrer in NRW erhalten für Klassenfahrten eine Reisekostenvergütung.
Der finanzielle Aspekt ist es nicht allein, den manch ein Lehrer als Belastung empfinden mag. Jesenek: „Eltern vertrauen uns ihre Kinder an, die müssen wir heil und gesund zurück bringen.“ Allein der Gedanke an das Ziel, das die Gladbeckerin alljährlich mit Siebtklässlern ansteuert, jagt anderen Kollegen eine Gänsehaut über den Körper. Zum Skifahren geht’s nach Südtirol.
Was da alles passieren kann, so eine große Verantwortung . . . Die Sportlehrerin, die 1976 die erste Skifreizeit am Riesener-Gymnasium begleitet hat, beruhigt: Die Kinder kehren in der Regel gesund und munter heim. Und für alle (Not-)Fälle sei eine Kollegin mit von der Partie, die sich ausschließlich um Erkrankte kümmere.
Ein Erfolgserlebnis für Jesenek und Kinder: die Fortschritte auf der Piste. „Wir unterrichten die Mädchen und Jungen selbst – und zahlen auch noch dafür“, erzählt die Lehrerin lächelnd. Was für sie so wichtig ist wie die Technik auf den Brettern: „Die Kinder lernen soziale Kompetenzen, wachsen zusammen; und es entwickeln sich Freundschaften.“ Da macht sich aus ihrer Sicht das Engagement der Lehrer bezahlt.