Gladbeck. .
Ihr eigener Einschulungstag? Die beiden Lehrerinnen an der Pestalozzischule denken ein bisschen nach: Nein, daran können sie sich nicht erinnern. „Es muss irgendwann im Winter, wahrscheinlich Februar, gewesen sein“, meint Gabriele Gendreizig, „ich gehörte zu den Jahrgängen mit verkürzter Schulzeit.“ An eines entsinnt sich die 53-Jährige doch noch: „Auf dem Foto habe ich eine Mütze auf.“ Ihre Kollegin Sandra Heitmann, 39, gibt ebenfalls zu: Von diesem Tag ist auch in ihrem Gedächtnis nichts hängen geblieben. So etwas Besonderes war die Einschulung damals halt nicht. Aber wie sich die Zeiten ändern: Heutzutage würdigen viele Familien den ersten Schultag als großes Ereignis – Eltern, Geschwister, Oma und Opa, Tanten und Onkel, sie alle begleiten oft die I-Dötzchen bei ihrem ersten Schritt in den neuen Lebensabschnitt, er wird regelrecht zelebriert. Für Gendreizig, die bereits ihr 25-jähriges Dienstjubiläum feierte, ist das Procedere am Einschulungstag zwar bekannt, aber doch immer wieder neu: „Da sind heute 24 aufgeregte kleine Erstklässler mit ihren Zuckertüten, die sich auf diesen Tag freuen.“
Bedürfnisse des Einzelnen
Und nicht nur dieser Start ins Schulleben unterscheidet sich gewaltig von dem vor einigen Jahrzehnten. Auch was sich in den Klassenzimmern abspielt, ist mit früherem Unterricht nicht zu vergleichen. Monoton Buchstabe um Buchstabe x-mal zur Übung seitenweise schreiben, Kästchen für Kästchen mit Ziffern füllen, im Chor lesen – all das kennen frühere Generationen. Der Nachwuchs von heute lernt so nicht. Andere Zeiten – andere Methoden: Gabriele Gendreizig übernimmt heute zum sechsten Mal an der Pestalozzischule eine erste Klasse und begleitet sie bis zur Stufe vier. Die Pädagogin sagt: „Unsere Aufgabe ist es, jedes Kind individuell zu fördern.“ Die Bedürfnisse des Einzelnen entscheiden darüber, auf welche Weise sie Stoff vermittelt, um die Lernziele zu erreichen.
Nummer Eins: Spaß am Lernen
Aber längst geht es nicht mehr um pures Wissen. „Wir müssen die Kinder an Regeln und Rituale erst gewöhnen“, so die 53-Jährige. Ordnung, Pünktlichkeit, die Einhaltung von Grenzen, Aufmerksamkeit – was einmal als Grundtugenden einfach vorausgesetzt wurde, ist nicht mehr selbstverständlich.
Für Sandra Heitmann, die seit einem Jahr an der Pestalozzischule unterrichtet, ist eine Eingangsklasse eine Premiere. Sie meint: „Der Stoff ist nicht so komplex wie in einer höheren Klasse, aber die Vermittlung ist anspruchsvoller. Wir müssen den Kindern grundlegende Sachen beibringen, die beispielsweise im zweiten Schuljahr dann vorhanden sind.“ Heitmann rechnet damit, dass ein Kind vielleicht Probleme haben wird, seinen Tornister in Ordnung zu halten; bei einem anderen mag es mit der Feinmotorik hapern, so dass Schreiben nicht so leicht von der Hand geht.
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Ein Symptom, das ihre Kollegin Gendreizig als typisch für die heutige Zeit im Vergleich zur Vergangenheit erachtet: „Die innere Unruhe der Kinder wird größer. Es fällt ihnen schwerer, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren.“
Doch wo immer es auch haken mag, das oberste Gebot für die Pädagoginnen heißt: Die Mädchen und Jungen müssen mit Spaß bei der Sache sein. Denn: „Mit Freude und Offenheit kann man besser und erfolgreicher lernen!“ Gendreizig: „Mit Druck geht’s heute nicht mehr, das war früher akzeptiert.“
Die beiden Grundschullehrerinnen unterstreichen: „Wir wollen für jedes Kind das Beste!“ Deswegen könnten Eltern ruhig ganz entspannt der Schullaufbahn ihrer Tochter oder ihres Sohnes entgegensehen. Gendreizig wirbt für Gelassenheit und Vertrauen zu den Profis, auch wenn das Schlagwort „Leistungsdruck“ schon Vätern und Müttern von Grundschulkindern Kopfschmerzen bereitet: „Machen Sie sich nicht zu viel Gedanken – Ihr Kind ist bei uns gut betreut.“ Sandra Heitmann ergänzt: „Seien Sie zuversichtlich, sagen Sie sich: Mein Kind macht schon seinen Weg!“