Gladbeck. .
Wenn der alte Herr ihre Hände nimmt, sie anlächelt und sagt „Ich fühle mich wie neugeboren!“ – dann geht Doris Jost das Herz auf. Wenn die Augen der Seniorin vor Freude blitzen – ja dann weiß die Gladbeckerin: Was sie hier macht, hat einen Sinn. Sicher, Doris Jost könnte es sich mit ihren 65 Jahren auf ihrer Terrasse in Gladbeck-Ost bei einem Tässchen Cappucchino gemütlich machen. Oder in der Fußgängerzone bummeln gehen. Aber: „Wer hätte denn davon etwas?“ Von der Arbeit, die sie ehrenamtlich übernimmt und erfüllt hingegen weiß die Gladbeckerin, wem sie nützt: (alten) Menschen in Seniorenzentren. Heimbewohnern, die keinen Angehörigen haben, der sie besucht und unterstützt.
In den Arm nehmen
Diese Lücke wollen acht Frauen und zwei Männer aus dem Seniorenbeirat füllen – unter ihnen Doris Jost. Eigene familiäre Erfahrungen waren für die 65-Jährige richtungsweisend in ihrem ehrenamtlichen Einsatz. Aufgewachsen in einer großen Familie mit neun Kindern, empfanden sie und ihre Geschwister es als eine Selbstverständlichkeit, sich um einander zu kümmern. Doris Jost erzählt: „Als meine Mutter schwer krank war, haben wir entschieden, dass sie nicht ins Heim kommt. Wir haben sie reihum gepflegt.“ Die Frau mit dem offenen Lächeln sagt es schlicht, doch der engagierten Christin ist durchaus klar: So eine Entscheidung ist schneller gesagt als getan. Umsetzen lässt sich Pflege daheim nur mit Unterstützung und oftmals tatkräftiger Hilfe der gesamten Familie – die immer häufiger einfach nicht existiert. Doris Jost: „Nachdem meine Mutter verstorben war, habe ich mir gesagt: Ich will für Senioren da sein, die niemanden haben.“
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Das Team des Seniorenbeirats besucht auf Anfrage die Einrichtungen, greift den Profis bei Karnevalsfeten, Tanz in den Mai, Sommerfesten, Ausflügen und vielen anderen Veranstaltungen unter die Arme. „Wir schieben zum Beispiel einen Heimbewohner im Rollstuhl ins Freie, reichen das Essen, helfen beim Trinken“, sagt die 65-Jährige. Oder sie nehmen einen alten Menschen einfach einmal in den Arm. Persönliche Zuwendung für ein paar Stunden – das sollen die Heimbewohner erfahren.
Eines ist der gelernten Einzelhandelskauffrau wichtig: „Wir sind keine Krankenschwestern, die Pillen verteilen. Die Seniorenzentren brauchen jemanden, der kleine Dienste übernimmt.“ Denn für das Persönliche, das Zwischenmenschliche habe das Pflegepersonal in den Einrichtungen oft nicht viel Zeit. Wobei Jost energisch negativen Vorurteilen gegenüber Alteneinrichtungen entgegentritt: „In Seniorenheimen bemühen sich alle so sehr um die alten Menschen.“
Team von Ehrenamtlichen
Zeit nehmen sich Doris Jost und ihre Beiratskollegen. Sie bemühen sich, den Bewohnern besondere Tage so angenehm wie möglich zu gestalten. Das klingt simpel, ist aber mit viel Organisation verbunden. Die Einrichtungen melden sich, ob eine Begleitung zu bestimmten Terminen möglich ist. Dann lotet Doris Jost aus, wer aus dem Team wohin gehen möchte und tüftelt einen Plan aus. „Schwierig wird’s in der Karnevalszeit, weil viele von uns das nicht feiern wollen“, hat sie festgestellt. Vor Ort erkundigen sich die Helfer, wo sie benötigt werden. Ziel ist eine Eins-zu-Eins-Betreuung. „Manche Bewohner sind einfach alt, andere sitzen im Rollstuhl, andere wiederum sind dement“, so Jost. Die Pflegekräfte vor Ort weisen ihre Unterstützer ein, auf was zu achten ist.
Meistens sind es Kleinigkeiten, die den Senioren die größte Freude bereiten. Wie das Essen, das zu einem Sommerfest auf den Teller kommt: Reibekuchen! Bratwurst! Das steht nicht alle Tage auf dem Speiseplan. Jost plaudert: „Da wollen viele nur einen einzigen Reibekuchen, ein Würstchen, von allem ein bisschen, um viel probieren zu können.“ Der Star eines Festes im vergangenen Jahr im Johannes-van-Acken-Haus war ein Spanferkel: „Schon allein zu sehen, wie sich das Ferkel am Spieß dreht!“ Das war für die Senioren ein Ereignis.
Bescheiden spricht Jost über ihr Engagement, verweist immer wieder auf die anderen Seniorenbeiratsmitglieder. Für sie, die bereits seit 1982 in der Caritas, Gemeinde St. Johannes in Gladbeck-Ost, aktiv ist, bedeutet ihre ehrenamtliche Arbeit für Schwache „praktizierte Nächstenliebe“. Strahlende Augen sind ihr Lohn. Die Einrichtungen danken: „Ohne Ihre Arbeit wären so große Feste nicht möglich!“ Und Doris Jost ist davon überzeugt: „Man an sollte sich eine Stunde Zeit nehmen, um Liebe zu verschenken und zu zeigen.“