Gladbeck. .
Die Augen funkeln wie blank poliertes Chrom – wenn Bernhard Balster von seinem Hobby erzählt, kommt er in null-komma-nix auf Touren. Alte Motorräder bringen den 73-Jährigen in Fahrt, die Oldies macht er mit viel Hingabe und Fingerspitzengefühl wieder flott, schraubt und werkelt. „Die ist alltagstauglich“, versichert der langjährige Fahrlehrer. Seine Fingerspitzen tippen sacht zur Erklärung an all jene kleinen Besonderheiten, die Kenner in Entzücken versetzen – vom Sachs-Motor bis zur Originalhupe. Eine Miele, Baujahr 1939, tiptop in Schuss, neu zugelassen im vergangenen Jahr – das ist Balsters jüngstes Projekt.
Reiz liegt im Basteln
Obwohl man ja eigentlich sagen müsste: sein ältestes. Denn Balster selbst ist gerade einmal vier Monate jünger als sein – wie es korrekt im Fachjargon heißt – Leichtkraftrad. „Ich habe eigentlich schon immer geschraubt und gebastelt“, plaudert der gebürtige Dorstener, der seit 1964 in Gladbeck zu Hause ist. Das Handwerkliche, Aktive liegt ihm: Beim Vater lernte er Schmied, wechselte später in den „Kraftfahrzeugsektor“. Sprich: Er wurde Fahrlehrer, im Sommer 1962 legte er die Prüfung ab. Die Leidenschaft für motorisierte Untersätze zieht sich durch Balsters Biografie wie eine Ölspur. Mit 19 Jahren hatte er die Führerscheine sämtlicher Klassen in der Tasche. In seiner einjährigen Zeit als Bundeswehrsoldat musste – oder durfte – er sich ebenfalls ans Steuer setzen.
Alten Motorrädern verhilft Balster seit gut einem Vierteljahrhundert zu neuem Glanz und Funktionstüchtigkeit, indem er selbst Hand anlegt. Wie eben bei der Miele, die er in Dorsten-Altendorf entdeckte. Der Kennerblick erspähte das Dornröschen, das unter Spinnweben dauergeparkt war: Hier schlummerte ein Juwel unter den historischen Motorrädern.
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Das Schätzchen, an dem die Jahre nicht spurlos vorübergegangen waren, wollte Balster wieder zum Leben wecken. 1939 mussten die Menschen für solch eine Miele 334 Reichsmark hinblättern. Was sie heute wert ist? Ein Fragezeichen.
Sicher, eine Wertanlage seien betagte Modelle in Topzustand heutzutage schon, so der Fachmann. Er nennt ein Beispiel: „Für eine BMW R69 S, die man seinerzeit Gummikuh nannte und die rund 4000 DM kostete, muss man 15 000 bis 20 000 Euro hinblättern.“ Doch wenn Bastler Oldtimer restaurieren, einerlei ob sie auf vier oder zwei Pneus rollen, müssen sie neben unzähligen Arbeitsstunden auch Geld investieren. Balster: „In der Regel bekommt man nicht ‘raus, was man ‘reinsteckt.“
Für ihn ist es nicht klingende Münze, die ihn zum Schraubenschlüssel greifen lässt. „Der Reiz liegt im Basteln“, betont er. Dabei setzt er sich selbst durchaus auch Grenzen. „Ich kann auseinandernehmen und wieder zusammenbauen“, erläutert der 73-Jährige, dessen Hände unter anderem eine Vespa und eine Horex wieder als Augenweide auf den Asphalt brachten. Derzeit hat er eine Zündapp in der Mache. Arbeiten wie Schweißen und Lackieren überlässt er Profis.
Farben schwammen davon
Da hat der 73-Jährige schon nicht so erfolgreiche Erfahrungen gemacht. Der Mann mit dem Halbschalenhelm holt aus der Garage einen Schraubenzieher, bückt sich und werkelt am hinteren Nummernschild der Miele, das ein RE-Kennzeichen hat. Darunter tritt schwach erkennbar eine alte Kennung zutage: IX 253368 – identisch mit dem Code auf dem Vorderrad. Balster erklärt: „Ich habe das hintere Kennzeichen einmal mit Klarlack besprüht, weil ich es haltbar machen wollte, aber da sind die Farben weggeschwommen.“
Vorsichtig hebt er die Kappe mit dem aufgedruckten „S“ ab, um auf den Sachs-Motor zu deuten. Der ist generalüberholt. Ein Fingerknöchel klopft leicht an den Tank: „Den habe ich von innen versiegeln lassen.“ Die Fußspitze weist auf die blitzenden Speichen – Edelstahl, „die alten waren verrostet“. Bernhard Balster lässt den Motor an, ein Fußgänger blickt neugierig von der Voßstraße herüber. Der Miele-Besitzer lauscht lächelnd mit leicht schräg gelegtem Kopf dem satten Knattern. Das ist Musik in seinen Ohren.