Gladbeck. „Hier ist Werner Hallay, ich hab’ das mit der Brauereihotel-Pleite in der WAZ gelesen. Ich möchte den Mitarbeitern, die jetzt in der Luft hängen, helfen, denn ich suche Servicekräfte und biete einen Job bei mir an – wenn’s gegenseitig passt.“ Wer den Zuschlag erhält, den erwartet bei tadelloser Arbeit ein sicherer Arbeitsplatz. Denn für unternehmerische Nachhaltigkeit bürgt der Chef quasi selbst mit seinem Namen: Werner Hallay (68) steht seit mehr als 43 Jahren hinterm Tresen, ist Gladbecks dienstältester Gastronom und sein Musik-Pub in Ellinghorst eine legendäre Kneipe mit Kultstatus. Das, in Zeiten des Kneipensterbens – was ist das Geheimnis seines Erfolges?
„Der Spruch – wer nichts wird, wird Wirt – ist auf jeden Fall totaler Blödsinn“, sagt Hallay. „Denn wer nichts auf dem Kasten hat und meint, einfach eine Kneipe aufzumachen, um ohne große Mühe das schnelle Geld zu verdienen, der macht genauso schnell die Gaststätte wieder zu.“ Besonders in der heutigen Zeit, wo sich das Feierabendverhalten stark verändert habe.
„Früher, da war es selbstverständlich, nach der Maloche auf dem Weg nach Hause von der Fabrik oder der Zeche, wie hier nebenan die Kumpel von den Möllerschächten, ein Bierchen in der Kneipe zu trinken.“ Mit dem Zechensterben, dem Verschwinden großer Firmen und so zunehmender Arbeitslosigkeit habe sich das total verändert, „und auch die Kneipen haben reihenweise dicht gemacht“. Das könne jeder selbst feststellen, der mit wachen Augen durch die Stadt geht. „In den 1970er Jahren, da gab es noch so um die 220 Kneipen in Gladbeck, heute sind es vielleicht noch 30 bis 40.“
Wer nicht als Lizenznehmer einer großen Gastro-Kette in guter Lage automatisch Publikum zieht, der müsse sich als Wirt und Einzelkämpfer heute umso mehr etwas einfallen lassen, um zu überleben. Eigene Ideen umgesetzt, das hat Werner Hallay einst selbst, als er Ende der 1960er Jahre die Kneipe von seine Eltern übernahm. Aus der Gaststätte „Möllerschächte“ wurde das „Musik-Pub“ und Wirt Werner zum Discjockey, der flotte Scheiben auflegte. Seine Plattensammlung wuchs rasch, ebenso wie der Ruf der Ellinghorster Szene-Kneipe.
Dass Werner Hallay mit seiner besseren Hälfte, Ehefrau Ursula („Uschi“), stets darauf achtete, sich nicht einseitig auf eine Altersgruppe zu versteifen, ist sicher ein Erfolgsgeheimnis. Der Großteil des Stammpublikums (80 %) ist bunt gemischt, im Alter von 35 bis 65 Jahren. „Mit einem Teil bin ich alt geworden“, lacht das ergraute Gladbecker Gastro-Urgestein. Und viele Kinder der Stammgäste, die einst als Minis durch den gemütlichen Biergarten flitzten, kommen jetzt ihrerseits regelmäßig mit dem Nachwuchs. „Und das hält wiederum jung“, freut sich Werner Hallay, der verrät, dass er sich eigentlich mit 55 Jahren zur Ruhe setzen wollte.
Auch eine Berufung
Abgehakt – versteht Werner Hallay seinen Job doch nicht als reinen Beruf, sondern auch als Berufung. So ist das Musik-Pub seit Jahrzehnten eine verlässliche Institution, eine sichere Anlaufstelle für die Gäste – und somit ein Fels in der Brandung der in Seenot geratenen Kneipenszene. „Wer aus vollem Herzen Gastwirt ist, der schaut nicht nur auf die nackten Zahlen und Öffnungszeiten. Der hört seinen Stammgästen auch zu, gibt Ratschläge und tröstet, wenn es Not tut.“ So kann es vorkommen, dass, längst nachdem alle übrigen Gäste gegangen sind, bis zum Folgemorgen gegen 8.30 Uhr ein aufgelöster Gast sein Herz am Tresen ausschüttet und Werner Hallay verständnisvoll zuhört, „auch wenn man eigentlich hundemüde ist“.
Gegen 15 Uhr beginnt Werner Hallay mit den Vorbereitungen für den Geschäftstag, bestellt Ware nach, macht Besorgungen. Ab 17 Uhr ist das Pub an der Eikampstraße 93 ( 43150) geöffnet, am Wochenende bis fünf, sechs Uhr morgens. Und ständig denkt der Wirt über Aktionen nach, die frischen Wind in seinen Laden bringen, mal eine Knobelaktion, mal eine Sonderverlosung oder spezielle Livemusik-Abende. „Ich hab’ noch so viel Ideen, da kann ich noch lange nicht als Wirt aufhören“, lacht der 68-Jährige.