Gladbeck.
Der Start fiel diesmal leicht ins Wasser: Zu Beginn der 4. Etappe mussten die WAZ-Grenzwanderer statt zum Wanderstock zum Regenschirm greifen. Nach dem Start an der B 224 ging es ab der Ringeldorfer Straße nur noch bergab, hinab ins Emschertal!
Hier, wo die Stadtgrenze aus der Ringeldorfer Straße die Claesdelle macht, schicken Elisabeth und Ehrenhart Mulcanowski die Wanderer, die sie zufällig treffen, mit guten Wünschen auf die Tour. Die Stadtgrenze – sie ist den Eheleuten wohlvertraut: Sie sind quasi Grenzwohner, leben in einem der letzten Häuser an der Ringeldorfer Straße.
„Bei den Kumpels hieß die Claesdelle schwarzer Weg“, weiß Walter Hüßhoff, der den Staffelstab von Manfred Braun als Begleiter übernommen hat, noch genau und erinnert an die Zeit nach dem Moltke-Aus 1971, als viele Gladbecker Bergleute zu Fuß oder mit dem Rad den Weg nutzten, um zur Zeche Hugo zu kommen. Nach ein paar Metern Claesdelle biegen die Wanderer rechts ab in die Felder. Den schönsten Blick der 4. Etappe krönt die Sonne, die sich schon wieder hinter den Wolken hervortraut: „Über die Heege hinweg kann man bis zu den Ruhrhöhen sehen“, staunt Hüßhoff, der am Horizont den Herkules auf dem Nordstern-Turm entdeckt.
Rechte Hand ist die Stadtgrenze gut auszumachen – schnurgerade Zäune, die die Gärten der schicken Einfamilienhäuser von Reimannsweg und Alter Radrennbahn begrenzen. „Vielen Gladbeckern dürfte die Radrennbahn noch in Erinnerung sein, noch in den 50ern drehten Radsportler hier ihre Runden“, erzählt der WAZ-Begleiter. Ein Stück weiter erkennt man die Heilig-Kreuz-Kirche, von der dezent das Mittagsläuten hinüber schallt. In der Ferne kann man das Tetraeder ausmachen, davor „liegen“ die monströs wirkende Mottbruchhalde und das Baugebiet Wielandstraße, wo immer noch Baukräne die Skyline bestimmen. „Und da vorn ist der Schandfleck Möbelparadies“, rümpft Hüßhoff die Nase.
Wir stapfen weiter durchs nasse Gras, vor uns liegt der Hof Reimann. Die Kühe warten auf die Mittagsfütterung. Martin Reimann begrüßt die Wanderer, erzählt davon, dass Reimanns den Hof seit 1880 bewirtschaften, in Kürze die Milchproduktion von 55 auf 80 Kühe erweitern wollen. Hinterm Hof fließt, kaum erkennbar, der Nattbach. Oben an der Claesdelle entspringt er, erzählt der Bauer. Hinterm Hof verläuft er kurz parallel zur Stadtgrenze. Weiter geht’s durch die Reimann’schen Felder. Vor uns steigt ein riesiger Schwarm Raben in die Höhe.Rechte Hand überqueren die Wanderer die Grenze und schlüpfen durch ein Tor aus Grün in die hübsche Nattbach-Kleingartenanlage. „Hier hab’ ich früher einen Garten gehabt“, sprudelt es aus Hüßhoff heraus. Und wie bestellt trifft er zwei alte Kumpel: Edmund Henkelüdecke und Jan Kruschyma. Großes Hallo, kurze Erinnerung an alte Zeiten – und schon müssen die Wanderer weiter. „Das Vereinsheim ist ein alter Schulpavillon, den haben wir damals in Eigenregie wunderbar umgebaut“, erzählt Hüßhoff, der Gladbeck-Kenner, im Vorübergehen. Schnell sind die Wanderer auf der Feldstraße und stoßen auf den Linnerott, die wunderbar mit Linden gesäumte Straße. Links die gelben Ortseingangsschilder fallen wie Landmarken ins Auge.
Rechts herum erreicht das Duo wenig später die Behmerstraße, hinauf geht’s zur A-2-Brücke. Rechts liegt das Haus Linderoth. „Das war früher das Ledigenheim der Bergleute, im Kumpel-Jargon Bullenkloster genannt“, klärt Hüßhoff auf. Heute nutzt es der Alevitische Kulturverein. Die Aussicht von der Autobahnbrücke über Butendorf ist immer wieder sehenswert. Richtung Osten fällt die bunte Eisenbahnbrücke auf, dahinter quert die Grenze unmerklich die A 2. Lang aufhalten können sich die Wanderer nicht und gehen durch goldgelbe Weizenfelder Richtung Brauck.
Linker Hand taucht der Hof Sellhorst auf – letzter Grenzposten kurz vor der Stadtgrenze. Angelika und Franz-Hermann Sellhorst empfangen die Besucher herzlich, kredenzen Kaffee und erzählen von der Geschichte des Hofes, der einst die Namen Behmer und Springmann führte. Im Krieg wurde er stark zerstört, teils mit Marshall-Plan-Geld wieder aufgebaut, erzählt Sellhorst, der im Nebenbetrieb die Äcker immer noch bestellt. Über einen Weg am Rand des Braucker Friedhofs erreichen die Wanderer den Lützenkamp, wo sich die Stadtgrenze um die Häuser schlängelt. Kuriosum: Der Blindschacht, den es auf beiden Seiten gibt, ist genau dort, wo die Grenze verläuft, unüberwindlich – wie einst der Eiserne Vorhang.
„Unterm Friedhof gab’s einen Blindschacht, daher der Name“, so Hüßhoff. Die Rosenhügeler ECA-Siedlung, sie wurde nach dem Krieg ohne Rücksicht auf die Grenze gebaut. „Folge war, dass sie durch die Häuser ging, sogar durch die Schlafzimmer“, erfährt das Duo vor Ort. „Während die Frau in Gelsenkirchen schlief, schnarchte der Mann in Gladbeck.“ In den 70er Jahren führte man Grenzbegradigungen durch und betrieb so auch Familienzusammenführung. Über die Otto-Hue-Straße erreichen die Wanderer die Holthauser Straße und so das Ziel nach 3,9 km. Es wird auch höchste Zeit, da dunkle Wolken aufziehen...