Gladbeck. .

Die Maschinenhalle Zweckel war noch nie ein Ort, an dem das Leben leicht war. Hart wurde dort geschuftet für die Industriebarone im Revier, laut ging es zu in der meterhohen Halle. Dreckig war’s und wurde jeder, der dort arbeitete, und der Umgang miteinander war nicht gerade ein sanfter. Dass der robuste, strapazierte Fliesenboden einmal Parkett für die schönen Musen werden würde, das hat in den Zweckeler Zechenzeiten niemand geahnt.

Da wusste man noch nichts von der Ruhrtriennale, diesem Theaterfestival im Revier, dem ohne die Spielstätten in den alten Arbeitspalästen etwas Entscheidenden fehlen würde. Diese Bühnen machen einen Teil des Reizes der Inszenierungen aus. In Zweckel war das noch bei jeder Aufführung der letzten Jahre so. Dem morbiden Charme des alten Gemäuers kann sich kaum ein Zuschauer entziehen

Und auch die Intendanten betrachten den Zweckeler Spielort jedes Jahr mit großem Interesse und der spannenden Frage: Was lässt sich wie spielen auf dieser Bühne? Monate vor dem Start der Triennale reisen sie an, um sich ein Bild zu machen von den Möglichkeiten, die Zweckel ihnen bietet. So war auch die französische Choreographin Mathilde Monnier vor vielen Wochen bereits hier, um sich für ihre Triennale-Inszenierung – das Tanzstück Twin-Paradox – auf Zweckel inspirieren zu lassen.

Was also wird geboten? „Kein Tanz-Tanzstück“, klärt Triennale-Dramaturgin Marietta Piekenbrock im WAZ-Gespräch auf. Getanzt wird natürlich schon, doch was Mathilde Monnier darunter versteht, ist weit weg vom herkömmlichen Verständnis dieser Kunst und viel mehr als nur Tanz. Für das Stück, das vor wenigen Wochen in Montpellier in Südfrankreich uraufgeführt wurde, hat sich die Choreografin von den Tanzmarathon-Veranstaltungen im Amerika der 20er Jahre inspirieren lassen. Im Schatten der damaligen Wirtschaftskrise wurde Tanzen zum puren Überlebenskampf, zu einer bis zum körperlichen Zusammenbruch gesteigerten Leistungsschau verzweifelter Tänzer, an der sich Zuschauer wie Zocker ergötzten.

Die eigentlich schöne, künstlerische Ausdrucksform, die dem Tanz innewohnt, wurde so zum Paradoxon - Twin paradox, eben. In der beziehungsreichen Kulisse der Maschinenhalle, die mit ihrer historischen Bedeutung für die schwere Arbeit, für die Anstrengungen des Lebens steht, schlägt Mathilde Monnier den den Bogen zur Jetztzeit. Der Marathon der Tänzer steht auch für die Hektik und Hetze des 21. Jahrhunderts, für die Rastlosigkeit einer Gesellschaft, die, ganz aktuell, den schwindelerregenden Milliardendeals der Finanzwelt atemlos zusieht.

„Es wird sehr experimentell“, verspricht die Dramaturgin eine spannende Inszenierung. Was auch für die Musik gilt. Der toskanische Komponist Luc Ferrari (gestorben 2005) hat Zeit seines Lebens viel experimentiert, eher Klangräume als reine Musik geschaffen. Die Tänzer werden begleitet von Geräuschen, Verkehrslärm, Gesprächen, Hupen, Klingeln – dem Klang des Lebens.

Premiere am 20. September

Kennzeichen der Ruhrtriennale war seit jeher die Präsentation interdisziplinärer Kunst, die in diesem Jahr ihren Schwerpunkt auf den Tanz legt. Bis 2014 hat Heiner Goebbels die künstlerische Leitung.

Premiere von „Twin Paradox“ ist am 20. September, 20 Uhr, weitere Aufführungen sind am 21. und 22. September. Tickets: 20, 30, 40 Euro, in den Ticketcentern und online unter www.ruhrtriennale.de.