Gladbeck. .

„Ich? Ein Richter?“ Dieser Beruf wäre Ali (15) vor einem halben Jahr nicht ‘mal im Traum eingefallen. IT-Manager, das war schon eher denkbar für den Erich-Kästner-Realschüler. Auch Simon (15) hat gestaunt: Er soll das Zeug zum Pädagogen haben? Der Schüler der Anne-Frank-Realschule hat sich bisher eher als Maschinenbauer gesehen. Könnte zwar auch passen, aber es gibt eben noch mehr und andere Möglichkeiten für ihn. Das hat eine Berufsberatung der etwas anderen Art ergeben.

„Berufsnavigator“ nennt sich das Konzept einer Hamburger Firma, das mit Hilfe von Persönlichkeitsmerkmalen das Stärkeprofil eines Schülers entwickelt und die dazu passende, berufliche Orientierung erarbeitet – ohne schulische Noten und Zeugniszensuren im Blick zu haben. „Jeder bringt etwas mit, jeder hat Stärken“, benennt Firmenchefin Dr. Silke Veers diesen anderen Ansatz. 211 Gladbecker Realschüler - alle Neuntklässler von Anne-Frank- und Erich-Kästner-Realschule – erhielten im Mai Dank Sponsoren (Sparkasse, Agentur für Arbeit, Rotary-Club Bottrop-Wittringen) die Chance, dies zu belegen.

Eine Chance in mehr als einer Hinsicht, denn die Schüler fanden ganz abgesehen von für sie neuen Berufsmöglichkeiten auch viel über sich selbst heraus. Dabei war das „wie“ ganz entscheidend: Nicht die Berufsberater oder gar die Eltern, sondern die Schüler selbst schätzten sich in so genannten Peerratings gegenseitig ein. Anhand eines 50-Punkte-Kriterienkatalogs benannten sie die Stärken und Schwächen ihrer Freunde und Klassenkameraden: Belastbarkeit, Flexibilität, Kreativität, Disziplin, Durchhaltevermögen, Freundlichkeit . . . Auf Grundlage dieses erstellten Persönlichkeitsprofils suchten die Berufsberater in einem weiteren Schritt aus 363 Berufsbildern zehn passende aus und stellten sie den Schülern und ihren Eltern in einer Feedbackrunde vor.

Und das klappt? Wie ehrlich können Freunde miteinander sein? „Sehr ehrlich“, nahmen die Gladbecker Realschüler diese Vorgehensweise und die gegenseitige Einschätzung ernst. „Wenn man nicht ehrlich ist und nicht die Wahrheit sagt, dann bringt das dem anderen doch nichts“, sagt Lucas (15).

Natürlich findet auch mit dem Berufsnavigator nicht jeder gleich seinen Traumberuf. „Es ist ein guter Einstieg in die Berufsorientierung“, sagt Birgit Rockstein von der Agentur für Arbeit Recklinghausen. Die Profilerstellung biete zudem möglicherweise einen Zeitgewinn. „Es gibt weniger Ausbildungsabbrecher“, sind die Erfahrungen im Kreis Coesfeld, wo der Berufsnavigator seit fünf Jahren durchgeführt wird. Noch ein Effekt: Die Schüler erfahren, was sie tun müssen, um ihr Berufsziel zu erreichen. Das ist ein Ansporn und wirkt wie eine Zielvereinbarung. Für die Realschüler Laura, Ali, Lucas und Simon bedeutet das: Auf jeden Fall nach der 10. Klasse weiter zur Schule gehen und das Abi machen.

Sponsoren

Finanziert wurde dieses erstmals in Gladbeck durchgeführte Berufsorientierungsprojekt von der Sparkasse als Hauptsponsor, der Agentur der Arbeit (37 % ) und dem Rotary-Club Bottrop-Wittringen, der sich mit 2000 Euro beteiligte.

12 660 Euro, 60 Euro pro Schüler, kostete der Navigator