Wechselweise in Passau und in Gladbeck finden Treffen ehemaliger Berglehrlinge der Schachtanlage Mathias-Stinnes statt. So werden die Erinnerungen an die Zeit vor über 50 Jahren wach gehalten.

Mehr als 50 Jahre sind vergangen, seit der Geyer-Toni aus dem Bayerischen Wald in Gladbeck auf der Zeche Mathias Stinnes als Bergmann arbeitete. Und doch sind die Erinnerungen noch frisch, weil sie frisch gehalten werden. Alle zwei Jahre treffen sich ehemalige Bewohner der „Caritas-Heimstatt Mathias Stinnes” am Hartmannshof 6 in Brauck – wechselnd in Passau und in Gladbeck. Mittendrin der damalige Heimleiter Hans Boltendahl, heute in Gladbeck als Ikonenmaler bekannt.

„In unserem Lehrlingsheim hatten wir eine gute Zeit”, erzählt Anton Geyer. „Wir waren etwa 70 Berglehrlinge, meist aus der Gegend von Passau, und wir wurden von der Familie Boltendahl und dem Personal sehr gut versorgt.”

Wie er überhaupt aus dem Bayerischen Wald ins Revier kam, schildert er so: „Ich bin 1939 im Böhmerwald geboren und im Bayerischen Wald aufgewachsen. Nach der Schulentlassung 1953 fand ich zunächst keine Lehrstelle, bis auf Veranlassung des Arbeitsamtes Passau die Zeche Mathias Stinnes mit einem Filmvortrag für eine Ausbildung als Bergmann warb. Sofort meldete ich mich als Berglehrling und im Januar 1955 ging die Reise ins Ungewisse los.”

Zwei Tage waren Anton Geyer und fünf weitere Kandidaten damals mit dem Zug nach Gladbeck unterwegs. „Wir kamen abends sehr müde an, denn wir mussten vorher am Bahnhof übernachten”, berichtet er und davon, dass es am nächsten Morgen gleich los ging in der Lehrwerkstatt, wo sie in die Arbeit der Bergleute eingewiesen wurden.

Einige Wochen später ging's dann richtig los und zum ersten Mal unter Tage. Für Anton Geyer eine ganz neue und anfangs beängstigende Erfahrung. „Der Einstieg in den Förderkorb war schon beklemmend und als der Korb mit Getöse in die Tiefe fuhr, bekam ich weiche Knie. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mir geschworen, nur meine Lehrzeit zu Ende zu bringen und dann den Beruf zu wechseln.”

Auch die weitere Schicht war dem Frischling aus Bayern nicht so recht geheuer: „Am Füllort mussten wir in das Flöz einsteigen und auf allen Vieren bis zur Abbaustelle kriechen. Dies war besonders beschwerlich, weil man neben der Lampe und dem Selbstretter noch Abbauhammer und Schippe mitschleppen musste. Dann ging es an den Abbau derr Kohle. Ein älterer Lehrling führte den Abbauhammer und brach damit die Kohle los. Mir wurde die Schippe in die hand gedrückt und ich musste auf dem Bauch liegend die Kohle in den Panzerförderer schippen. Wenn das Förderband still stand, hörte man es im Hangenden knacken, was zunächst große Angstgefühle hervorrief. Heilfroh war ich, als die Schicht endlich vorbei war.”

Mit der Zeit habe man sich an die Arbeit unter Tage gewöhnt, erzählt Anton Geyer, der auch etliche Anekdoten parat hat: „Einmal gab es in der Waschkaue ein sonderbares Erlebnis. Beim Eingang stand ein großer Behälter, aus dem man sich heißen Kaffee in die Pulle füllen konnte. Wir machten alle regen Gebrauch davon. Als eines Tages der Kauenwärter in dieses Behältnis Wasser nachfüllte, zog er ein paar gebrauchte Wollsocken heraus. Seitdem verzichtete ich auf den Kaffee.”

Später Polizist geworden

Das Ruhrgebiet machte einen überwältigenden Eindruck auf den jungen Mann aus dem Bayerischen Wald. „In den großen Industrieanlagen wie auf dem Gelände der Zechen Mathias Stinnes mit ihren Kokereien konnte man sich verlaufen. Die Luftverschmutzung war sehr fortgeschritten und man konnte kaum ein weißes Hemd tragen, ohne dass später die Spuren sichtbar waren. Als ich 1998 erstmals wieder ins Ruhrgebiet kam, war die Luft dort sauber und rein. Die früheren Halden waren begrünt.”

Anton Geyer machte seinen Schwur vom ersten Tag unter Tage übrigens wahr. Nach der Knappenprüfung 1957, als es hieß das Heim zu verlassen und in ein „Bullenkloster” (Ledigenheim) umzuziehen, kehrte er in den Bayerischen Wald zurück. „Meinen weiteren Lebensweg verbrachte ich bis zur Pensionierung im Polizeidienst. Einige der früheren Heimbewohner blieben dem Ruhrgebiet treu und verbrachten ihr Arbeitsleben auf der Zeche oder zumindest in der dortigen Umgebung. Zurückblickend kann man sagen, dass uns die Zeit im Pütt nicht geschadet hat und dass man gerne daran zurückdenkt.”