„Menschen halten viel mehr aus, als wir glauben.“ Wenn einer wie Richard Oetker das sagt, weiß er genau, wovon er spricht. Oetker wurde 1976 entführt, überlebte ein zweitägiges Martyrium und kam erst nach Zahlung von 21 Mio DM Lösegeld wieder frei. Die physischen Schäden, die der Entführer ihm zugefügt hat, begleiten sein Leben seitdem. Bei aller Prominenz war und ist Oetker Opfer eines Verbrechens wie viele andere Menschen und versteht sich aufgrund seiner eigenen Erfahrung als deren Fürsprecher. „Man darf den Blick nicht abwenden, die Opfer dürfen nicht vergessen werden“, mahnt der Unternehmer, der auch Mitglied im Bundesvorstand des Opferhilfevereins Weißer Ring ist. Am Dienstag Abend kam er auf Einladung des Lions-Clubs nach Gladbeck, und erzählte seine Geschichte vor rund 150 Gästen im Martin Luther Forum.

Sachlich, distanziert und sogar mit Humor schilderte der heute 61-Jährige sein schreckliches Erlebnis vom 14. Dezember 1976. 26 Jahre war der Sohn der bekannten Bielefelder Dr. Oetker-Unternehmens gruppe damals, studierte in Freising bei München Brauereiwesen. In einer engen Holzkiste hielt der Entführer ihn zwei Tage gefangen, starke Stromschläge brachen Oetker zwei Brustwirbel und beide Hüften. Auch ein Lungenflügel wurde geschädigt. Heute noch trägt er an den Folgen, hinkt leicht. Gebannt verfolgte das Publikum seine Schilderung, „man hätte eine Stecknadel fallen hören“, ist der Eindruck bei Dietrich Pollmann. Der Täter Dieter Zlof wurde gefasst und in einem Indizienprozess zu 15 Jahren Haft verurteilt. Er hatte die Tat lange geleugnet, Jahre nach seiner Freilassung wurde jedoch ein Teil des Geldes bei ihm gefunden.

Sein Opfer, Richard Oetker, hat das Geschehen gut überstanden – wenn man das überhaupt so sagen kann. Aber er will auch nicht, dass ein Täter aus seiner Tat Vorteile zieht. So wie Zlof es versucht hatte, indem er Buch über seine Tat schrieb, das verfilmt werden sollte. Das wollte Oetker nicht geschehen lassen, verfasste selbst ein Buch, das Grundlage für einen Film wurde.

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„Man darf den Tätern keine Publizität geben“, warnt Oetker mit Blick auf aktuelle Fälle wie beispielsweise den Norweger Massenmörder Breivik. Denn dann gerate das Leid der Opfer in den Hintergrund. „Viele sind ihr Leben lang geschädigt“, weiß der Konzernchef. Oft würden die „Sekundäropfer“ vergessen. „Dabei leiden die Angehörigen mit.“ Er selbst habe zwar seit der Entführung „nicht mehr Angst als vorher“, die eigene Tochter jedoch sei sehr ängstlich.