Gladbeck.

Gesellschaftsstudie kann man dazu gar nicht mehr sagen. Fassbinders „Satansbraten“ ist, auch in der Bühnenfassung, eine schrille Farce, die die Abgründe des menschlichen Seins aufzeigt und die Ereignisse zynisch auf die Spitze treibt. Schwere Kost nicht nur für die zahlreichen Gäste in der Neuen Galerie Gladbeck am Donnerstag, sondern auch für die Schauspieler des Theaters Glassbooth.

Ein Merkmal der Bühnenadaption, die in Koproduktion mit dem „Theater im Depot“ aus Dortmund entstand, ist die Geschwindigkeit, mit der die Ereignisse, die Szenen, die bissigen Dialoge aufeinander folgen. Vor allem letztere sind zuweilen so skurril, dass es sich erklärt, warum der „Satansbraten“ als Komödie gilt.

So besucht der lüsterne Protagonist Walter Kranz (Jens Dornheim), einstiges Literaturgenie, dem heute jede Kreativität abgeht, seine Liebschaft Lisa in deren Wohnung, wo er deren Ehemann wie einen alten Kumpel begrüßt. Als Walter will und sie nicht, stärkt der Gatte dem Schwerenöter gar den Rücken: „Jetzt stell’ dich nicht so an, Lisa.“

Die Höhepunkte des Stückes sind eindeutig die, wenn auf der Hinterbühne Einblicke in Walters Familienleben gewährt werden. Da ist die, ebenfalls lüsterne aber immer verschmähte, Luise Kranz (Sandra Wickenburg).

Und da ist Bruder Ernst (Marlon Bösherz) mit einem offenkundigen Dachschaden, dessen Liebe und Fürsorge vor allem den Fliegen in der Wohnung gilt.

Am heimischen Küchentisch spielen sich Dramen ab. Hier interviewt Walter eine Nutte, will ein Interview-Buch davon machen und landet, vor den Augen der Gattin, mit der leichten Dame doch nur in der Horizontalen.

Und da empfängt Walter eine glühende Verehrerin, die naive Andrée, die in dem einstigen Schriftsteller-Helden ihren Ehemann sieht, dessen Frau aber dennoch akzeptiert. Doch statt der Liebe Walters erhält sie die von Ernst, der Andrée, ermutigt vom Bruder, im Kohlenkeller vergewaltigt.

Der „Satansbraten“ ist mehr als ein solcher, das wurde den Zuschauern, denen oftmals das Lachen im Hals stecken blieb, deutlich. Walter, nach heutigem Befinden mitten in der Midlife-Crisis, lässt wirklich nichts aus, um seine Gier nach Macht, Erfolg und Geld zu befriedigen. Er geht nicht nur über Leichen, er übt Gewalt aus und befördert sie, manipuliert voller Gefühlskälte und ist an Egomanie kaum zu überbieten.

Ein schwieriges Stück für die Darsteller, von denen keiner am Ende everybodies darling war. Genau das aber war Merkmal der schauspielerischen Leistung, die bei allen Akteuren außerordentlich gut war. Dennoch ist die von Marlon Bösherz besonders erwähnenswert, der als Ernst fast ohne Worte, zumindest ohne sinnvolle, zu überzeugen wusste, der brillierte mit seinen Gesten und mit seinem ausdrucksvollen Mienenspiel.