Gladbeck.

Sechs Jahre war Michael Rasche (37) Stadtjugendseelsorger und BDKJ-Stadtseelsorger für Bottrop und Gladbeck. Sechs Jahre, in denen sich die katholische Jugendarbeit in beiden Städten radikal verändert hat. Die Kürzungen und Umstrukturierungen im Bistum haben die Jugend besonders heftig getroffen und auch die Arbeit des Jugendseelsorgers bestimmt. Jetzt wechselt der zweifache Doktor, Theologie und Philosophie, an die katholische Universität Eichstätt. Dort arbeitet er am Lehrstuhl für Philosophie an seiner Habilitation. Vor dem endgültigen Umzug vom Ruhrgebiet nach Bayern zog er im Gespräch mit WAZ-Redakteur Matthias Düngelhoff Bilanz.

Unter welchen Voraussetzungen haben Sie eigentlich 2006 in den beiden Städten angefangen?

Die Voraussetzung war die Auflösung der katholischen Jugendämter. Was sich dahinter verbarg, ist mir erst nach und nach klar geworden. Was ich jedoch gar nicht wusste, war die Tatsache, dass ganz massiv auch der Bestand der Jugendeinrichtungen gefährdet ist und dass ich auch Leuten mitteilen musste, dass sie nach 20 Jahren ihre Arbeit verlieren werden.

Gab es Situationen, in denen Sie es bereut haben, diese Stelle übernommen zu haben?

Bereut ist vielleicht ein zu starker Ausdruck, aber wenn solche Gespräche anstanden, fragt man sich schon, was man da eigentlich tut. Ich habe die Aufgabe ja übernommen, weil ich Spaß an der Jugendarbeit habe, weil ich etwas bewegen wollte. Wenn die einzige offensichtliche Bewegung dann nach unten zeigt, dann ist das frustrierend.

Was waren denn Höhe- und Tiefpunkte in Gladbeck?

Für Gladbeck war sicherlich die Schließung der Jugendberufshilfe ein Tiefpunkt, ganz zu Anfang meiner Zeit in Gladbeck. Damals mussten wir auch eine Mitarbeiterin entlassen. Höhepunkt war ein Jugendgottesdienst in St. Marien in Brauck. Es ging um Idole und die Frage, wem man nachfolgt. In dem Zusammenhang gibt es eine legendäre Szene aus dem Film „Das Leben des Brian“. Dort folgen ihm die Menschen und halten einen Schuh in die Höhe. Ich hatte mir für den Gottesdienst vorgenommen, das auch zu schaffen. Und es ist mir gelungen, dass mir 150 Besucher mit dem Schuh in der Hand gefolgt sind. Das kam sowohl bei den Jugendlichen als auch bei älteren Gottesdienstbesuchern gut an. Obwohl es immer auch ältere Menschen oder Priester gibt, bei denen so etwas nicht ankommt.

Während Ihrer sechs Jahre im Amt wurde auch das jugendpastorale Zentrum für Bottrop und Gladbeck in St. Peter an der Scharnhölzstraße gegründet. Wie geht es damit weiter?

Da gibt es noch keine Entscheidung. Fakt ist: Vom Bistum wird es keinen Nachfolger als Stadtjugendseelsorger geben. Zurzeit läuft im Bistum ein Dialog, wie die Jugendpastorale in Zukunft aufgestellt sein soll, da wird es auch um die jugendpastoralen Zentren gehen. Da wird auch entschieden, was mit St. Peter geschieht. Seitens der Jugendlichen aus Bottrop und Gladbeck, die sich hier engagieren, ist der Wille da, weiter zu machen. Die Jugendlichen und die Pfarrei St. Joseph sind bereit, Mittel zu investieren.

Und die Pfarreien St. Cyriakus in Bottrop und St. Lamberti in Gladbeck?

Von diesen Seiten gibt es noch keine Aussagen. Wir wollen natürlich das Gespräch suchen. Aber wir müssen warten, wie die Signale des Bistums aussehen. Nicht, dass wir Mittel investieren in einen Bereich, an dem das Bistum kein Interesse mehr hat.

Ihr Urteil über die Bistumsreform?

Das Bistum musste sparen und hat sich entschlossen, die nötige Reform sehr schnell durchzuführen. Dabei ist die Gefahr sehr groß, dass viele Dinge kaputt gehen, die vor Ort wichtig sind und die man vielleicht hätte retten können. Da würde ich mir – auch für die Zukunft – wünschen, dass den Leuten vor Ort Mitsprachemöglichkeiten eingeräumt werden. Erste Ansätze gibt es im Dialogprozess des Bistums, was dabei letztlich herauskommt? Da wage ich noch kein Urteil.

Hat die Jugend unter dem Prozess besonders gelitten oder waren Einschnitte fair verteilt?

Es war unverhältnismäßig. Die Haushalte der Gemeinden wurden halbiert, im Jugendbereich gab es ein Minus von 80 Prozent. Wenn man diese Zahlen vergleicht – wohlwissend, dass gespart werden muss – dann sorgt das bei den Betroffenen in der Jugendarbeit nicht für Begeisterung. Mit Blick auf die bisherige Strukturreform muss man sagen: Die Jugend ist kein Gewinner.

Der BDKJ-Stadtseelsorger übernimmt ja auch Verantwortung in der Politik. Wie wird die Arbeit der katholischen Jugend dort gesehen?

Beide Städte sind sehr enttäuscht darüber, dass Kirche sich aus vielen Bereichen der Jugend- und Sozialpolitik zurückzieht. Da herrscht in Politik und Verwaltung ein relativ großer Frust. Die Städte honorieren aber die Arbeit der Jugendverbände vor Ort als eine wichtige ehrenamtliche Arbeit. Aber man muss auch sehen, dass es für die Jugendverbände durch den Rückzug der Amtskirche schwieriger geworden ist, Gehör zu finden. Die Politik lernt gerade erst die Trennung zwischen der Arbeit der katholischen Jugendverbände, also des BDKJ, und
der Amtskirche.