Gladbeck. Alle Welt redet über die horrenden Benzinpreise - die WAZ-Stadtspaziergangsredaktion erinnert zu den Osterfeiertagen an eine Ära, als noch mit D-Mark bezahlt wurde und der Sprit „etwas“ preiswerter war.

Die Gladbeckerin Doris K. (72) ist eine wunderbare Zeitzeugin, wenn es darum geht, sich aus lokaler Perspektive an die guten alten Tankstellen-Zeiten in den 50-er Jahren des Wirtschaftswunders zurückzuerinnern.

Die Gladbeckerin stellte der WAZ-Stadtspaziergangs-Redaktion schon vor einiger Zeit sehenswerte alte Schwarz-Weiß-Fotos von der einstigen Esso-Tankstelle Kratz an der Bottroper Straße/Sandstraße zur Verfügung. Damals, so erinnert sie sich gut, kostete der Liter Benzin um die 60 Pfennige! Wirklich traumhafte Jahre waren das also. . .

„Ich war damals ein burschikoser Typ. . .“

Doris K. fing an der Esso-Tankstelle Kratz im Jahr 1954 als Lehrmädchen an, heutzutage würde man natürlich ganz korrekt Auszubildende sagen.

Esso an der Bottroper Straße bei Nacht. Privatalbum: Doris K. / Repro: Dirk Bauer / WAZ FotoPool
Esso an der Bottroper Straße bei Nacht. Privatalbum: Doris K. / Repro: Dirk Bauer / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Eine Frau an der Tankstelle? Ja, das war wenige Jahre nach dem Krieg keineswegs selbstverständlich, aber Doris K. war ein durchaus „burschikoser Typ“, wie sie selber sagt; ein junges Mädchen also mit viel Selbstbewusstsein, das sich auch nicht scheute anzupacken. Und so lernte sie damals die Tankstellenarbeit wirklich von der Pike auf kennen.

Rundum-Service an der Station

„Wir haben alles gemacht: Wenn ein Auto vorfuhr, fragten wir den Fahrer erst einmal: Wieviel Sprit darf es denn sein?“ erzählt die 72-Jährige. Und dann wurde der Pkw nicht nur betankt, auch Ölstand-Messung und Scheiben-Säuberung zählten stets zum selbstverständlichen Service-Programm.

Doris mit ihren Kollegen Hans und Theo in der Tankstelle Kratz (später Eing) an der Bottroper Straße. Foto: Privatalbum Doris K. / Repro: Dirk Bauer / WAZ FotoPool
Doris mit ihren Kollegen Hans und Theo in der Tankstelle Kratz (später Eing) an der Bottroper Straße. Foto: Privatalbum Doris K. / Repro: Dirk Bauer / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Als Verpflegung für die kleine Tankstellen-Belegschaft gab’s Brötchen mit frischer Fleischwurst und Coca-Cola. Acht Stunden lang war der Arbeitstag, an Samstagen sogar zehn Stunden. Das Lehrgeld war auch nicht gerade üppig bemessen, dafür gab es aber reichlich Trinkgeld von zufriedenen Kunden, die mit einem voll betankten und gewarteten Auto abfuhren.

Wer auf die schmucken Fotos jener Zeit blickt, taucht geradezu in eine Bilderbuch-Szenerie der 50-er ein: Die Tankstelle mit ihren weißen Wandfliesen und der abgerundeten Ecke; die rot-weißen Zapfsäulen, die Tankwarte in ihren Esso-Arbeitsanzügen. Doris K. wohnte damals in Gelsenkirchen-Beckhausen und fuhr täglich mit dem Zug über Buer-Süd nach Gladbeck-Ost; von dort lief sie dann bis zur Tankstelle Kratz, wo sie mehrere Jahre arbeitete, bis sie die Stelle wechselte.

Gern erinnert sie sich an die Tankstellen-Ära der 50-er zurück. „Mir hat die Arbeit immer richtig Spaß gemacht.“ Und bei Sprit-Preisen weit unter einer D-Mark hatten sicher auch die Gladbecker Autofahrer ihren Spaß. . .

Schon Ende 2009 ging es im WAZ-Stadtspaziergang um diese Tankstelle

So sah’s in späteren Jahrzehnten aus: die Esso-Tankstelle Eing an der Bottroper Straße. Album: Familie Eing / Repro: Christoph Joemann / WAZ Foto Pool
So sah’s in späteren Jahrzehnten aus: die Esso-Tankstelle Eing an der Bottroper Straße. Album: Familie Eing / Repro: Christoph Joemann / WAZ Foto Pool © WAZ FotoPool

Schon im Dezember 2009 ging es in der WAZ-Stadtspaziergangsserie übrigens um die Esso-Tankstelle an der Bottroper Straße - und um die Kreuzung selbst. Denn hier stand einst ein ganz besonderes Hinweisschild. Viele WAZ-Leserinnen und -Leser erinnerten sich Ende 2009 nach einem entsprechenden Aufruf der WAZ an dieses Hinweisschild, das ein wenig Fernweh weckte. . .