Gladbeck. .
„Es gibt viel zu tun“, freute sich Stadtbaurat Carsten Tum (48) vor vier Jahren auf seine Tätigkeit in Gladbeck. 51 Monate später ist noch längst nicht alles getan, denn die „Baustelle“ Stadt wird eigentlich nie fertig. Der Gladbecker Baurat indes übernimmt eine neue Baustelle: Ab 1. April bezieht Tum sein Büro in Duisburg als Baudezernent. Im Interview mit der WAZ spricht er über die erledigten, begonnenen und dauerhaften Gladbecker Baustellen.
Wie fällt Ihre Bilanz nach 51 Monaten in Gladbeck aus?
Carsten Tum: Ich habe die Zeit genossen und war hier gerne Stadtbaurat. Gladbeck ist eine wunderbare Stadt, sie ist überschaubar und sie hat doch von allem etwas. Man kann viel bewegen, ohne sich gleich zu verheddern. Ich habe hier viele nette Menschen kennen gelernt. Ich bin sehr dankbar für diese Zeit.
Als Sie in Gladbeck anfingen, kamen Sie vom RVR und hatten sich viel Nähe zum Bürger erhofft. Haben Sie die bekommen?
Auf jeden Fall. Als Planer brauche ich Rückmeldung. Es ist wichtig zu wissen, was der Bürger vor Ort wünscht. Man muss natürlich auch den Kopf hinhalten, wenn etwas mal nicht so gut läuft. Gleich zu Beginn war ich auf einer Bürgerversammlung in Schultendorf (wegen der Dauerbaustelle, Anm. Red.). Da spürte ich das Leben in Gladbeck schon hautnah.
Eine der größten Baustellen, die in Ihrer Amtszeit begonnen wurde und noch lange nicht erledigt ist, ist die Umgestaltung der Innenstadt. Wie bewerten Sie dieses wichtige Projekt?
Das ist auf sehr gutem Weg, auch wenn man noch nicht viel sehen kann. Es dauert leider relativ lange, bis Fördergelder beantragt und bewilligt werden und es dann endlich losgehen kann. Das Stadtteilbüro ist inzwischen eröffnet, es dokumentiert den lang ersehnten Beginn und die Nähe zu den Bürgern, die wir bei dieser Arbeit intensiv mitnehmen wollen. Ich bin stolz, dieses für Gladbeck so wichtige Projekt mit angeschoben zu haben, bei dem die Innenstadt familienfreundlich und zukunftsfähig entwickelt wird.
Die Neugestaltung der Fußgängerzone wird eine große Sache, das steigert die Aufenthaltsqualität und dadurch ihr Image. Am Ende werden wir im wahrsten Sinne des Wortes den Boden bereitet haben für die Zukunftsfähigkeit der Innenstadt. Einzelhändler und Hauseigentümer sind dann gefragt, vielleicht werden auch neue Investoren angelockt.
Eine weitere Dauerbaustelle, mit der Sie zu tun hatten, wird nun nicht weiter bearbeitet. Der geplante Umbau der B 224 zur A 52. Hat Sie das Votum der Bürger überrascht? Was entgeht den Gladbeckern nun?
Ja, das Votum der Bürger hat mich sehr überrascht; ich hätte nicht gedacht, dass es mehr Gegenstimmen als Befürworter zu dieser historischen Chance für Gladbeck geben würde. Der Tunnel hätte die Möglichkeit eröffnet, die Stadtteile zusammenwachsen zu lassen und die trennende Bundesstraße unter die Erde zu verbannen. Der Verkehr wäre flüssiger durch Gladbeck gerollt und am Rande der neuen Trasse hätten attraktive Flächenentwicklungen möglich werden können. Eine vertanene Chance...
Ist die Ablehnung der Gladbecker ein Beispiel dafür, dass Großprojekte heute gar keine Chance mehr haben?
Ich hoffe nicht, dass Großprojekte nun chancenlos sind - Stuttgart hat ja gezeigt, dass die Bürger auch für ein Großprojekt gewonnen werden können. Aber man sieht, dass eine Bürgerbeteiligung kein Selbstläufer ist.
Überraschte Sie das große Bürger-Interesse an dem Projekt?
Eigentlich nicht. Denn nach Stuttgart 21 ist einerseits das Bürgerinteresse gewachsen, andererseits hat das Bewusstsein in der Politik zugenommen, die Bürger auf dem Weg schwieriger Entscheidungen mitzunehmen.
Erledigte Baustellen gibt es aber auch?
Natürlich haben wir vieles erledigt in der Zeit. Die Bebauung im Rathauspark zum Beispiel. Diese Lösung habe ich mit entwickelt und ich bin stolz auf das gelungene Projekt. Dass hochwertiges Wohnen in der Innenstadt gut ankommt, zeigt sich ja auch in der schnellen Vermarktung der Wohnungen.
Auch die alte Poststation ist jetzt mit dem Investor auf einem guten Weg. Und gut entwickelt hat sich der Dialog mit den Bürgern der THS-Siedlung in Ellinghorst und mit dem Verein Luftschacht. Das ist jetzt ein gutes Miteinander. Zu den erledigten Baustellen zählt natürlich auch die Sanierung der Europabrücke, die jetzt fast abgeschlossen ist.
Eine unvollendet Planung ist dagegen das brach liegende Lueg-Gelände am Eingangstor zur Stadt.
Aus planerischer Sicht ist das eine prominente Stelle. Hier muss eine Lösung hin, die sich städtebaulich einfügt, eine hochwertige Stadtkante mit Wohnen, Dienstleistung oder kleineren gewerblichen Nutzungen. Aber das ist am Ende eine Frage von Rendite, von Wirtschaftlichkeit, nur dann gibt es eine Lösung. Die Stadt kann da leider nur vermitteln.
Noch ein unerledigtes Thema ist der ehemalige Schlachthof. Sehen Sie da überhaupt noch Chancen?
Da wird man wohl weiter langen Atem brauchen, einen Schnellschuss wird es da nicht geben. Das Gelände neben B 224 und Bahnlinie ist kein Filetstück, hochwertiges Wohnen ist dort nicht umsetzbar. Wünschenswert wäre eine ganz andere Entwicklung in Richtung Kreativwirtschaft oder Dienstleistung. Einzelhandel im großen Stil ist dort übrigens nicht denkbar. Und für den ZBG kommt höchstens eine Teilfläche in Betracht, was aber die Restverwertung nicht einfacher machen würde..
Welche Chancen sehen Sie überhaupt für künftige Stadtplanung in einer Stadt wie Gladbeck?
Die Stadt muss sich dem steten Wandel anpassen. Dem der Demographie, dem der Finanzen und dem der Bausubstanzen. Die Schwerpunktverlagerung der Stadtplanung hin zur Veränderung von Beständen und Brachflächen wird weitergehen, es wird zukünftig mehr um Sanierung und Neunutzung gehen als um Leuchtturmprojekte.
Das sind oft lange Prozesse und als Planer braucht man einen langen Atem. Aber auch das kann positiv besetzt und als Projekt reizvoll sein. Nehmen Sie nur die Umwandlung des Hahnenbaches in Brauck von der Köttelbecke zum Naturerlebnisraum. Das ist ein Wandel, den Stadtplanung bewirken kann. Das ist für mich eine wunderbare, beispielhaft gelungene Veränderung. Und da gibt es in allen Städten im Ruhrgebiet noch viel zu tun.