Gladbeck. .

Es gibt Politikfelder oder -Themen, die geraten in Vergessenheit. „Altersarmut ist eines dieser Themen, welches nach Wulff-Debatte und Eurokrise im Moment nur eine untergeordnete Rolle spielt.“ Es waren deutliche Worte, die der ehemalige Industrie- und Sozialpfarrer Dr. Hans-Udo Schneider bei einer Bildungsveranstaltung der IGBCE Schultendorf/Ellinghorst fand. „Unser Griechenland liegt in der beginnenden Altersarmut“, so Schneider, der damit auf die Dringlichkeit des Themas hinwies. „Es betrifft immer mehr Menschen.“

Im Gepäck hatte der Pfarrer aus Dorsten provokante Thesen. So fielen die Ursachen für Altersarmut nicht einfach vom Himmel. Ganz im Gegenteil: „Das ist politisch so gewollt. Keine der bisherigen Regierungen verfolgte bisher die Absicht, die Rente armuts- und krisenfest zu machen.“ Ganz egal, welche Partei die Regierung stellte. „Dabei sollte das doch das Ziel sein.“

Um ein komplexes Thema wie Altersarmut zu verstehen, sei es wichtig, die Gründe zu kennen. Dr. Schneider erklärte die Entstehung von Armut im Alter mit der Entwicklung des Neoliberalismus, einer Denkweise, die sich in den 1970er Jahren in allen Gesellschaftsbereichen durchgesetzt habe. „Er ist auf leisen Pfoten in Deutschland eingekehrt“, so Schneider. „Deregulierung in der Wirtschaft, freie Hand für den Markt, Verlust von Sozialstaatlichkeit.“ So beschreibt er das politische Handeln der Verantwortlichen. Die Konsequenzen seien bis heute spürbar, vor allem bei den Sozialversicherungssystemen. „Es kommt immer darauf an, aus welcher Perspektive Gesetze gemacht und gesehen werden“, so Schneider, der in diesem Zusammenhang auf die Hartz-Gesetze der Regierung Schröder verweist. „Das ist der Höhepunkt und dient als Bekämpfung der Arbeitslosen selbst. Das ist nichts anderes als Überwachung und Kontrolle.“

Der Verlust der Solidarität mit all seinen Facetten sei zu beklagen, darin waren sich Referent und Gäste einig: Anstieg der Leih- und Zeitarbeit, das Fehlen von Normalarbeitsverhältnissen, Zunahme von Minijobs. Auch die Protest- und Demonstrationskultur habe sich verändert, da viele Menschen sich aus Angst um ihre Jobs nicht an Arbeitskämpfen beteiligten. „Solidarität kann sich so nicht entwickeln.“