Gladbeck. .

Die kurdische Familie – Vater, Mutter, drei Söhne – lebt schon mehr als zehn Jahre in Gladbeck, geflohen aus der Türkei, wo der Vater in Gefängnissen schwere Folter ertragen musste. Die Familie hat hier Fuß gefasst: Alle Fünf sprechen gut Deutsch, die drei Jungs kicken in einem Gladbecker Fußballverein, der Älteste geht zur Realschule, die beiden anderen sind noch im Grundschulalter.

Alles bestens, könnte man meinen, aber: Über der Familie schwebt ständig – vom ersten Tag bis heute – das Schwert der Abschiebung. Sie ist hier nur geduldet. Und dieses Schicksal droht ab Ende dieses Jahres 59 weiteren Familien in Gladbeck, die bisher zumindest von der Bleiberechtsregelung profitierten. Das heißt: Sie gehörten zu den Menschen in Deutschland, denen der Bundestag im Jahr 2007 die Möglichkeit einräumte, sich einen dauerhaften Aufenthalt zu sichern. Voraussetzungen: Sie mussten zum Stichtag 1.7.2007 mindestens sechs (Familien) bzw. acht Jahre (Alleinstehende) in Deutschland leben, und sie müssen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Ende dieses Jahres läuft die Bleiberechtsregelung aus, und die 59 Familien mit dem „Bleiberecht auf Probe“ sind an der Arbeitsplatzsuche gescheitert. Die kurdische Familie hatte die Chance zum dauerhaften Bleiberecht nicht einmal, denn sie kam zweieinhalb Monate nach dem Stichtag in Deutschland an. 102 weiteren Familien in Gladbeck ergeht es ebenso.

„Die Stichtagsregelung muss weg“, fordern deshalb Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Flüchtlingshilfsorganisationen von der Innenministerkonferenz, die Anfang Dezember tagt. Auch in Gladbeck haben sich der Flüchtlingsarbeitskreis und der Integrationsrat des Themas angenommen. In einem Pressegespräch machten sie deutlich, dass sie auch die Forderung, den Lebensunterhalt selbst bestreiten zu müssen, für völlig unrealistisch halten. Pfarrerin Reile Hildebrandt-Junge-Wentrup: „Bei einer fünfköpfigen Familie muss man dafür schon Akademiker sein.“

Die Gladbecker Akteure wissen natürlich, dass sie keinen Einfluss auf Entscheidungen in Berlin haben, aber sie wollen trotzdem ihre Stimme erheben, ihre Mitmenschen für das Schicksal der Flüchtlinge sensibilisieren. Und ganz konkret wollen sie erreichen, dass die kreisweit zuständige Beratungsstelle Elnet mit Sitz in Recklinghausen Sprechstunden in Gladbeck anbietet, dass es vor Ort konkretere Unterstützung für Flüchtlinge bei der Arbeitssuche gibt und dass die Behörden ihre Spielräume im Sinne der Flüchtlinge nutzen.