Gladbeck.Lange vorher ausverkauft war die Premiere von Macbeth in der Maschinenhalle, inszeniert von Luk Perceval mit dem Thalia-Theater Hamburg.
Es ist kurz nach sieben. Die Sonne scheint. Schöner könnte ein Septemberabend gar nicht sein. Der Parkplatz neben der Maschinenhalle Zweckel ist schon jetzt gut gefüllt. Obwohl es noch eine Stunde dauert, bis die Gäste im Rahmen der Ruhrtriennale die letzten Tage im Leben von Macbeth miterleben, hineingerissen werden in einen Strudel aus Verzweiflung, Verrat und Vergeltung.
Einige haben eine
lange Reise hinter sich
Die Menschen steigen erwartungsvoll aus ihren Autos, richten noch kurz ihre Kleidung. Einige haben eine lange Reise hinter sich. Von Hamburg sind sie gekommen, von Köln und von Berlin. Das Lustwandeln auf der großen Fläche vor der Maschinenhalle kommt da gerade recht.
Das Sehen und Gesehenwerden verkommt fast zur Nebensache. Viel wichtiger sind ein kühler Drink und ein kleiner Snack, den es neben der Halle in einem großen Zelt gibt. Dort findet auch die Einführung ins Stück statt. Doch viele Menschen genießen lieber im Freien die letzten Sonnenstrahlen des Abends.
Ein Gong ertönt. Die Theaterfreunde drängen gen Eingang. Die Schlange ist lang. Nur Stück für Stück geht es voran. Langsam geht es die Treppe hoch. Von hier aus eröffnet sich einem der Theaterraum. Die Bühne ist die Halle selbst. Die Zuschauertribüne ist eine riesige Konstruktion, die von dicken Stahlrohren getragen wird. Unzählige Treppen gilt es zu erklimmen. Nicht jeder hatte eine solche körperliche Herausforderung erwartet, die aber den Kulturgenuss erst möglich macht.
Je höher es geht, je näher man dem Dach der Halle ist, desto heißer wird es. Viele entledigen sich ihrer Jacken und nehmen Platz, in Erwartung eines Theaterspektakels, auf das auf der Bühne schon eingestimmt wird. Man blickt herunter auf die Spielfläche. Dahinter beeindruckt eine Skulptur aus Tischen.
Davor stehen und liegen unzählige Soldatenstiefel. Dazwischen stehen leere Flaschen und Gläser, die von einer wilden Party zeugen. Die Bühnenbildnerin Annette Kurz schuf hier eine monumentale Kulisse für Mord und Totschlag.
Durch die Tische und die dahinter liegenden Fenster hindurch blickt man auf das Grün der Wiese. Über ihr geht gerade die Sonne unter. Und im warm eingefärbten Himmel zeigt sich schon eine rote Mondsichel. Macbeth kommt unbemerkt auf die Bühne. Und schon geht sie los, die moderne Aufführung des Shakespeare-Klassikers unter der Regie von Luk Perceval. Man braucht eine Weile, bis man sich hinein denken kann in diese Inszenierung. Dann aber zieht sie den Zuschauer umso mehr in ihren Bann.
Die Geschichte von Macbeth (Bruno Cathomas), dem Kriegsheimkehrer, der zum Than von Cawdor befördert wurde, nimmt ihren Lauf. Der Protagonist, durch den Sieg nicht glücklich und von der Gattin gedemütigt, wird zum Mörder, verstrickt sich in seinem Verlangen nach Macht und Bedeutung, nach der Königskrone, in Verbrechen und Lügen. Sein Drama empfinden die Zuschauer mit ihm.
Scheinwerfer blitzen
auf dem Parkplatz auf
Beinahe gespenstisch wirken die nackten Frauen im Hintergrund, die sich zunächst wie Puppen in die Kulisse einfügen. Dann aber bewegen sie sich langsam, wie in Trance, auf die Szenerie zu. Es sind die Hexen, die Macbeth auf dem Heimweg erschienen und ihn immer noch verfolgen. Sie waren es, die ihm versprachen, nicht getötet werden zu können durch einen, der von einer Frau geboren wurde. Sie bewegen sich in der Nacht, im imitierten Mondlicht, das große Scheinwerfer durch die Fenster in die Halle schicken.
Doch mit Macbeths Macht kommt auch der Wahn, dem seine Frau, Verbündete und Feindin zugleich, zuerst erliegt. Sie begeht Selbstmord. Tot hält Macbeth sie in seinen Armen. Ein Moment, der keinen der Gäste kalt lässt. Bevor dann kommt, was kommen muss. Sein Ende besiegelt Macduff, der Todesengel, der nicht von einer Frau geboren wurde.
Im Moment dieser höchsten Dramatik blitzen Autoscheinwerfer auf dem Parkplatz auf. Einige Fahrzeuge kommen an. Es sind die Fahrer derer, die nicht selbst nach Hause fahren. Sie warten auf Macbeths Ende. Und das kommt. Das Licht geht aus. Die ganze Halle liegt im Dunkel. Doch noch traut sich keiner, das zweistündige Schweigen zu brechen. Ganz vorsichtig klatscht der erste in die Hände. Dann trauen sich immer mehr. Das Licht geht an. Die Schauspieler verbeugen sich. Immer und immer wieder. Jetzt sind auch Jubelrufe zu hören.
Frische Nachtluft ist eine Wohltat
Nach minutenlangem Applaus wird auch der Zuschauerraum beleuchtet. Die Menschen bereiten den Abstieg vor. Und auch der dauert. Endlich sind die großen Türen der Maschinenhalle zu sehen. Dann werden sie passiert. Die warme aber frische Nachtluft ist eine Wohltat.