Gladbeck. .

Für eine „Werbe-Broschüre“, denn auch so versteht Landrat Cay Süberkrüb den ersten Bildungsbericht Kreis Recklinghausen, sind die 100 faktenreichen Seiten dann doch etwas anspruchsvoll.

Allerdings können Ausbilder im Handwerk hier bei gründlicher Lektüre etwa drei beispielhafte Hauptschulen finden, deren Absolventen zu mehr als der Hälfte den direkten Weg „ins duale System“ finden, wie Marit Rullmann erläutert. Die Koordinatorin Lernen vor Ort: „Es gibt Realschulen, die über 20 Prozent Übergangsquoten jubeln.“

Die vestische Bildungslandschaft erscheint so fast paradox in ihrem Nebeneinander von Erfolgsmeldungen und Rückstand. Der Landrat formuliert’s positiv: „Wir wollen besser werden als Baden-Württemberg.“ Tatsächlich hängt die Abiturienten-Quote noch weit hinter dem Muster-Ländle zurück. In den beiden Vergleichsjahren 2008 und 2009/10 kletterte sie im Vest immerhin von 26,4 auf 28,7 Prozent. „Die Gladbecker wollen 37 Prozent Abiturienten“, so Cay Süberkrüb: Es ist der Maßstab auf längere Sicht. Am anderen Ende des Bildungssystems zählte das Vest vor drei Jahren noch sieben Prozent ohne jeden Schulabschluss, 2008/09 waren’s noch 5,8 Prozent.

Gegen die „Bildungsarmut“ anzutreten: dies definiert Dr. Richard Schröder, im Kreishaus Fachbereichsleiter Gesundheit, Bildung, Erziehung als erste Konsequenz aus dem Bildungsbericht: „Wir müssen schon frühkindlich anfangen, die kleinen Kinder fördern. Das sind Handlungsfelder für die nächsten Monate und Jahre.“ Dem Landrat und SPD-Politiker ist der Aspekt „Schulfrieden“ besonders wichtig: „Das ist ein hoher Wert. Nach der jahrelangen Aktionismus-Phase in der Schulpolitik ist jetzt eine ruhige Entwicklungsarbeit möglich.“

Mit seinem umfassenden Bildungsbericht vom Kindergarten bis zur Hochschulreife darf sich der Vestische Kreis in einer Pionierrolle sehen: Entsprechende Berichte – „ein Gemeinschaftswerk der Städte und des Kreises“, so Cay Süberkrüb – gibt es erst in zwei NRW-Landkreisen. „Bundesweit sind wir der 23. unter 450 Kreisen und kreisfreien Städten.“ Bildungsberichte für Herne, Essen und Duisburg liegen demnächst den dortigen Räten vor.

Dennoch habe der Kreis vom Land Vergleichsdaten erhalten, um seine eigene Position einordnen zu können, erläutert Marit Rullmann, eine der drei Hauptautorinnen des Berichts. „Erstaunlich gut“ sei demnach die Situation des Kreises auf dem Ausbildungsmarkt dank vieler Ausbildungs-Initiativen und Ausbildungs-Paten in jeder Stadt. Positiv sei auch die kreisweite Übergangsquote von gut 20 Prozent aus Hauptschulen in die duale Ausbildung.

Auch das „duale Studium“ an der Fachhochschule wertet der Bildungsbericht als „besonders attraktiv“, so der Landrat. Vor allem Schüler aus Berufskollegs und mit Migrationshintergrund nutzten diesen „abgesicherten“ Weg an die Hochschule.

Die kreisweite Datenjagd zeigt aber auch: 2020 werden 20 bis 22 Prozent weniger junge Menschen die Schulen besuchen. „Wie sich das auf die Schulformen verteilt“, so Cay Süberkrüb, sei eine weitere „große Aufgabe“ für den Kreis und seine zehn Städte.