Gladbeck. .

Das Leben an sich ist ja eine Dauerbaustelle - ein Stadtchef hat davon noch ein paar mehr als der Normalbürger. A 52, GWG, Innenstadtprojekt, Haushalt . . . An Themen mangelt es Bürgermeister Ulrich Roland nicht. Im Sommerinterview stellt er sich den Fragen der WAZ zu den „Baustellen der Stadt“.

Die A 52 ist das Jahrhundertthema der Stadt. Wie ist der Zeitrahmen, wann können die Gladbecker mit einer Umsetzung der Pläne rechnen?
Ulrich Roland:
Das Thema wird uns noch Jahre begleiten, und die Autobahn wird auch in 15 Jahren noch nicht fertig sein - wenn überhaupt. Es ist auch noch keine seriöse Prognose über einen Zeitplan möglich. Auch wenn die Bürgerinitiativen immer von einem Herbsttermin für das Planfeststellungsverfahren für das A2-Kreuz sprechen, so ist dieser Termin im NRW-Verkehrsministerium nicht bekannt.

Die Mobilitätswerkstatt vermittelte den Eindruck, Stadt und Land ziehen in Sachen A 52 nun an einem Strang.
Es bleibt dabei: Gegen die Stadt passiert nichts. Bevor nicht Einvernehmen über unsere Forderungen erzielt ist, gibt es kein grünes Licht. Das Riesenproblem der langen Bauzeit und die Folgen für die Stadt sind beispielsweise noch nicht gelöst.

Der Wutbürger Gladbeck 21 - ist der vorstellbar?
Wutbürger verantworten ihre Stadt nicht. Wer sich kompromisslos gegen den Ausbau wendet, verkennt die Notwendigkeiten der Zukunft. Wir brauchen die Arbeitsplätze in der Region und wenn wir weiter Industrieland bleiben wollen, brauchen wir eine vernünftige Verkehrssituation. 90 Prozent des Verkehrs auf der B 224 ist regionaler, nur 10 Prozent ist Transitverkehr. Der Grundansatz für den Ausbau der A 52 ist seriös.

Seit Ihrem Vorschlag für einen Engel der Kulturen als Landmarke auf der Halde ist auch das ein Dauerthema in der Stadt. Wie geht’s damit weiter?

Der Engel ist nur ein Vorschlag. Er hat eine bewegte Diskussion verursacht, die einen Wert an sich hat. So ist noch nie über das Verhältnis der Kulturen und Religionen in der Stadt diskutiert worden. Das ist ein sensibles Thema, das wir beobachten. Es wird ganz sicher keine Landmarke gegen die Bürgerschaft geben. Noch wird auf der Halde bis Ende 2013 geschüttet, in 2012 sollte das Thema Landmarke rund werden.

Lässt sie sich denn überhaupt noch umsetzen, wo die Halden jetzt doch als ideale Standorte für Windräder in den Fokus genommen werden?
Das schließt sich nicht automatisch aus, die Mottbruchhalde ist ja ein riesiges Areal, so groß wie das Freizeitgebiet Wittringen. Es hängt von der Ästhetik der Darstellung ab. Eine Umsetzung ist im Übrigen nur möglich, wenn Sponsoren- und Fördergelder fließen.

Stichwort Finanzen. „Ab jetzt wird der Bürger es spüren“, hatten sie in der Haushaltsdiskussion gesagt. Wie geht das Sparen in der Stadt weiter?
Wir haben in diesem Jahr schon schmerzhafte Einschnitte machen müssen, die Gewerbesteuer erstmals seit 14 Jahren angehoben, die Grund-, Hundesteuer und weitere Gebühren erhöht. Aber der Spargürtel wird uns auch weiterhin nicht erspart bleiben, in zehn Jahren müssen wir einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Wir werden also weiter stille Nischen erforschen und gucken, wo noch gespart werden kann.

Uns helfen aber bereits jetzt die energetischen Maßnahmen des Konjunkturpakets II , Kosten bei der Energie einzusparen. Auf langer Strecke geht es jedoch auch um Einnahmen. Die Wirtschaft muss boomen, dann sprudelt die Gewerbesteuer.

Sie hatten im März erstmals die Bürger aufgerufen, sich mit Vorschlägen an der Spardiskussion zu beteiligen. Wird das fortgesetzt?
Ideen sind weiter hochwillkommen, wir werden den Bürgerhaushalt ausbauen. Wir freuen uns auch über Engagement und gute Vorbilder, wie die Buchpaten für die Stadtbücherei. Und niemand ist daran gehindert, Patenschaften für ein Kind in der Musikschule oder im Fußballverein zu übernehmen.

Das Innenstadtprojekt, das ähnlich wie die Soziale Stadt Butendorf und Brauck die soziale Situation in Gladbeck-Mitte verbessern soll, muss nun laut Beschluss der Bundesregierung fast ohne Fördermittel für soziale Projekte auskommen. Ein herber Rückschlag?
Die Kürzung der Förderung für Soziales ist äußerst bedauerlich. Darin lag ja gerade die Genialität des Projekts. In Butendorf und Brauck haben gerade die sozialen Maßnahmen das Projekt getragen. Bei den Einschulungsuntersuchungen der Sechsjährigen in Brauck ließen sich jetzt ja erste Verbesserungen durch die intensive Sprachförderung nachweisen. Es ist einfach schade, wenn nur noch Bauprojekte gefördert werden. Nur in Steine zu investieren, hilft nicht bei der Lösung der Probleme. Gerade die Innenstadt hat eine dramatische soziale Situation, wie der Familienbericht gezeigt hat. Das ist aus eigener Kraft nicht zu stemmen.

Wie lässt sich dennoch gegen steuern?
Wir sind gut beraten, mit klugen Maßnahmen gegen zu steuern, um diese Gesellschaft zusammen zu halten. Der soziale Friede ist ein hohes Gut. Angesichts der prekären Situation in Großstädten erkennt man diesen Wert in zunehmendem Maße.

Es gibt ja auch die ganz realen Baustellen vom ehemaligen P&C am Markt, über das Schlachthofgelände bis zum Möbelhaus Tacke. Wie steht’s damit?
Wir sind mit allen Eigentümern im Gespräch, phasenweise sehr eng und sehr konkret, aber wir haben auch schon manches Scheitern erlebt. Das Problem ist doch, solange die Eigentümer Gewinne machen, interessiert sie ihr Objekt. Wenn das nicht mehr der Fall ist, muss die Stadt sich kümmern. Und uns bleiben nicht viele Handlungsmöglichkeiten. Für das Möbelhaus Tacke haben wir jetzt die Zwangsversteigerung beantragt. Zum Schlachthof gibt es jetzt die Anregung der SPD, für das ehemalige Lueggelände braucht es einen Entwickler.

Wenn wir über erledigte Baustellen sprechen - gehört die GWG, die Gladbecker Wohnungsgesellschaft, dazu?
Nein, erledigt ist das noch nicht. Wir befinden uns im Prozess, die Fehlleistungen der Geschäftsführer und Fehlentwicklungen der letzten Jahre zu reparieren. Dazu gehört auch, dass die GWG durch Zukäufe in der zweiten Hälfte der 90er Jahre über die Maßen belastet wurde. Umso erstaunlicher ist, wenn Teile der Politik aus politstrategischen Gründen einen Teilverkauf von Wohnungen ablehnen. Dabei ist das das einzige seriöse Instrument. Hier wäre Einsicht in die wirtschaftliche Notwendigkeit zu wünschen. Das Modell der externen Geschäftsbesorgung, wie wir es mit der Essener Allbau AG seit einem Jahr haben, ist auf jeden Fall tragfähig. Das Ziel ist, die städtische Wohnungsgesellschaft mit rund 1800 Wohnungen am Markt stabil zu etablieren. Derzeit ist die Gesellschaft mit 2000 Wohnungen nicht handlungsfähig. Die GWG muss die Stärke, die sie vor 1994 hatte, wieder zurück gewinnen.


Das Leben ist eine Baustelle – das Leben in Gladbeck ist . . .?

Schön. Wir haben hier viel Lebensqualität, es gibt eine sehr engagierte Stadtgesellschaft und ein hohes Maß an ehrenamtlichem Einsatz. Die Leute leben gern hier und identifizieren sich. Dazu gibt es viele schöne Ecken in der Stadt. Dass es sich hier zu leben lohnt, zeigen die geringen Wanderungsverluste, wir haben die geringsten im Ruhrgebiet.