Mitglieder- und Wählerschwund – Schlimmeres kann einer Partei eigentlich nicht passieren. Arg gebeutelt ist die SPD, zuletzt musste der Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel zugeben, dass die Mitgliederzahl erstmals seit mehr als 100 Jahren unter eine halbe Million gesunken ist. Deshalb setzen er und seine Generalsekretärin auf eine Modernisierung der Partei. Die Notwendigkeit solcher Reformen sehen auch die Gladbecker Genossen. Denn hier ist der Altersschnitt inzwischen sogar auf über 60 Jahre angestiegen.

Eine entsprechende Mitgliederstatistik wird der Stadtverbandsvorstand auf dem nächsten Parteitag vorstellen. Bis hinein in die neun Ortsvereine wurden die Mitgliederzahlen untersucht. Dass das nicht unbedingt schmeichelhaft wird, weiß auch der Stadtverbandsvorsitzende Jens Bennarend. Aber einen positiven Aspekt zeige die Statistik. Inzwischen bleibe die Mitgliederzahl im Stadtverband konstant. Eintritte und Austritte hielten sich die Waage. Wobei Verluste vor allem auf Sterbefälle zurückzuführen seien. „Seit ich 1997 angefangen habe, sind die Mitgliederzahlen gesunken. Inzwischen ist die Zeit der Parteiaustritte vorbei.“

Kritik an „Verschäankung der Gremien“

Aber Bennarend weiß, dass sich die SPD anstrengen muss, um für junge Leute attraktiv zu werden. Doch die Ideen, die bisher aus Berlin durchgesickert sind, sorgen vor Ort für Widerspruch. Mit ihm als Delegationsmitglied für den nächsten Bundesparteitag sei das nicht zu machen, legt sich der Stadtverbandvorsitzende fest. „Die Vorschläge sind Beleg dafür, wie abgehoben die Herrschaften in Berlin sind.“

Besonders die Ideen zur „Verschlankung der Gremien“ kritisiert er. Setzen sich Gabriel und seine Generalsekretärin Andrea Nahles durch, sollen Parteivorstand und Präsidium verkleinert, der Parteirat durch einen Länderrat ersetzt werden. Dem sollen die Ministerpräsidenten und andere Spitzenpolitiker aus den Landesverbänden angehören. Für Bennarend ein „Weniger an Demokratie“. Dann entschieden nur noch Berufspolitiker über die Ausrichtung der Partei. „Bisher gab es den Parteirat, eine Art kleiner Bundesparteitag.“ Dieses Ausblenden der Basis ist für die Gladbecker SPD ein „Unding“.

Bennarend setzt auf „innerparteiliche Solidarität“

Bennarend und seine Mitstreiter kritisieren die Amerikanisierung der Politik. Die zeige sich im Vorschlag, künftig, nach US-Vorbild, Vorwahlen durchzuführen. Bei Urwahlen, so die Überlegung, könnten auch Nicht-Mitglieder über Kandidaten entscheiden. Bennarend bezweifelt, dass die SPD dadurch interessant werde, dass sie über Personen abstimmen lasse, und er fragt, auf welchen Ebenen solche Abstimmungen vorgesehen sind und wie das gehen soll. „Könnten CDU-Mitglieder über unseren Bürgermeister-Kandidaten entscheiden?“

Ein weiteres Stichwort, das den örtlichen SPD-Vorsitzenden in Rage versetzt: „Innerparteilicher Wettbewerb“. Verkürzt ausgedrückt will die Bundespartei „aktive und innovative“ Kreisverbände finanziell belohnen. Unfair, finden die Gladbecker, denn: Dass ein Stadtverband Gladbeck mit rund 1200 Mitgliedern andere Dinge auf die Beine stellen könne als ein Ortsverein in der mecklenburgischen Diaspora sei logisch. Bennarend setzt auf „innerparteiliche Solidarität“.

Sein Rat an die Berliner Genossen lautet, sich stärker auf die Basis zu konzentrieren, die Arbeitsgemeinschaften der Partei ernst zu nehmen und sie nicht durch eine zweite und dritte externe Expertengruppe zu entwerten. Zudem müsse sich die SPD auf ihre Kernkompetenz bei sozialen Problemen besinnen. „Denn die werden immer größer.“ Im Moment verkomme die Bundes-SPD zur reinen „Reaktionspartei“. Sie setze keine eigenen Themen „und es fehlen klare Standpunkte, die man auch beibehält, wenn es unangenehm wird.“