Die Betten sind bezogen, frische Handtücher liegen darauf, das Badezimmer ist geputzt – die Gäste können ihr Zimmer sofort beziehen. Das einzige Problem: Der „Ellinghorster Hof“ hat seit ein paar Jahren geschlossen.

Hausbesitzer Michael Berg schließt uns die Tür zum „verlassenen Ort“ an der Ecke Bottroper Straße/Beisenstraße auf. Im Schankraum, dort wo die Gäste in besten Zeiten in Dreierreihen an der Theke standen, ist die rustikale Gemütlichkeit nur noch zu erahnen. Die besten Zeiten – das waren die Jahre, als die Kumpels nach der Schicht einkehrten oder die Siemens-Belegschaft von gegenüber kam. Die Theke mit der Zapfsäule steht noch, wo sie immer stand, mit den Barhockern davor. Sonst ist nichts mehr an seinem Platz, eine feine Staubschicht bedeckt alles.

Michael Berg hat alle Unterlagen, die er bei der Stadtverwaltung über dieses Haus finden konnte, kopiert und säuberlich in einen Ordner geheftet. Wilhelm Terbeck hat es 1896 gebaut, im Erdgeschoss die Gaststätte, in den beiden oberen Etagen Wohnungen. Wenn Michael Bergs Unterlagen komplett sind, ging das Gebäude 1935 in den Besitz von Johannes Dieckmann über, ein bekannter Name in Ellinghorst: Sein Bruder Heinrich betrieb den bekannten Dieckmannshof.

Im Aktenordner finden sich auch jede Menge Bauzeichnungen: Das Haus wurde im Laufe der Jahrzehnte mehrmals umgebaut und erweitert. 1940 zum Beispiel um einen Tiefbunker und 1957, als der Besitzer die Genehmigung zum Bau und zum Betreiben einer Wurstküche mit Räucherkammer bekam.

In das Gesellschaftszimmer zogen 1953 Mitarbeiter der Bundesknappschaft ein, um Knappschaftsinvaliden und -witwen die Renten auszahlen – und mit frischem Bargeld in der Tasche fand manch einer den Weg nach nebenan in die Kneipe.

Irgendwann – Michael Berg meint, da gehörte das Haus schon Alfred Sicking – stiegen die ersten Übernachtungsgäste im Ellinghorster Hof ab. Von den Wohnungen in den oberen Etagen waren ein paar Gästezimmer abgetrennt worden. Die einfachen Übernachtungsmöglichkeiten blieben zunächst unverändert, als Michael Berg das Haus 1991 kaufte. Ein bisschen Nostalgie spielte bei diesem Kauf eine Rolle: Die Kindheit verbrachte er im Elternhaus direkt neben dem „Ellinghorster Hof“, der damals noch „Jägerhof“ hieß, Vaters Firma lag nur wenige Meter entfernt.

Michael Berg und seine Frau Gerlinde, beide branchenfremd, dachten damals nicht im Traum daran, selber das Haus zu führen. Aber: Der erste Pächter hielt nur ein Jahr durch, der zweite verlor seine Konzession. Und so passierte es doch: Bergs wagten einen Totalumbau und einen Neuanfang in Eigenregie. „Die Baugenehmigung ließt zweieinhalb Jahre auf sich warten“, erinnert sich Berg, aber dann ging’s los: Unten entstand ein Restaurant mit 100 Sitzplätzen, oben konnten 24 Gäste in zehn Hotelzimmern übernachten. 1996 war das, „und wir waren erfolgreich“, sagt Berg rückblickend. Aber: „Ich musste parallel meine Firma für Werkstatteinrichtungen weiterführen, und ein Hotel- und Gaststättenbetrieb ist ein Job an 365 Tagen im Jahr.“ Mit anderen Worten: Bergs waren froh, als nach drei Jahren jemand den Betrieb übernehmen wollte.

Leider gab auch der neue Pächter nur ein kurzes Gastspiel, und Gerlinde Berg startete einen zweiten Versuch. Der dauerte immerhin sieben Jahre. 2007 war Schluss. Das Hotel, so Michael Berg, war fast ständig ausgebucht, aber im Restaurant blieben immer mehr Tische unbesetzt. Gut bürgerliche deutsche Küche zog nicht mehr so.

Michael Berg will das Haus verkaufen. Und ob ein neuer Besitzer Hotel und Restaurant wiederbelebt oder das Gebäude ganz anders nutzt, das ist ihm letztendlich egal – Nostalgie hin oder her.