Gladbeck.
Trotz der breiten Zustimmung zum Etat 2011 im Rat am Donnerstagbend (WAZ berichtete) äußerten Sprecher aller sieben Ratsfraktionen Unzufriedenheit und Skepsis, auch Kritik zur Haushalts- und Konsolidierungssituation der Stadt.
SPD und Grüne sowie die CDU stimmten mit ihren 37 Stimmen für den Etat 2011. BIG, FDP, Die Linken und die Soziale Liste stimmten mit ihren zehn Stimmen dagegen. In den Etareden waren die Äußerungen der Fraktionssprecher oft genug verbunden mit ein wenig Achselzucken. Lob gab es von allen Seiten für die unkomplizierten, kurzen Etatverhandlungen eine Woche zuvor im Hauptausschuss. Das sei aber dem Umstand geschuldet, dass es ohnehin nichts mehr zu verteilen gebe, hieß es allenthalben.
SPD-Fraktionschef Michael Hübner sagte, die Diskussionen zum Etat seien sachlich und ökonomisch gewesen. Dennoch sei festzustellen, dass die „Handlungsfähigkeit der Kommunen fast an die Wand gefahren ist“, so Hübner. Verantwortlich seien die Sozialausgaben, die ungebremst weiter steigen. Nötiger denn je seien die Kommunen auf Landeshilfe angewiesen, die nun von der rot-grünen Landesregierung in Aussicht gestellt würden. Durch eine Korrektur des Soziallastenansatzes im Gemeindefinanzierungsgesetz bekomme Gladbeck bereits in diesem Jahr 5,9 Mio € mehr Schlüsselzuweisungen als zunächst geplant.
Hübner plädierte vor dem Rat dafür, durch die Gründung eigener Stadtwerke und einem Ausstieg aus dem ELE-Vertrag zum Sommer 2013 die Einnahmeposition der Stadt zu verbessern. „Hieraus lassen sich Konsolidierungspotentiale für den Stadt-Haushalt er-zielen“, so der SPD-Politiker. Die Erhöhung der Gewerbesteuer falle der SPD schwer, doch immerhin sei sie seit 14 Jahren nicht angetastet gewesen. Gladbeck liege im Vergleich nicht an der Spitze. Trotz der Finanzenge plädierte Hübner auch für Verbesserungen: Der U-3-Bereich soll weiter ausgebaut werden, der City-Umbau werde bis 2013 voran getrieben und kurzfristig werde der Etatposten für Straßeninstandsetzungen aufgestockt. Hübner: „Insgesamt ist ein Etat mit Augenmaß.“
CDU-Fraktionschef Reinhold Fischbach kritisierte, dass das rot-grüne Stadtbündnis keine eigenen Einsparideen entwickelt habe. Die vom Land angekündigten Fi-nanzhilfen für die Kommunen seien bislang wie eine „Hoffungsblase zerplatzt“. Stattdessen rücke die Überschuldung immer näher, der Etat sei Beleg dafür. Irreführung warf Fischbach Bürgermeister Roland bei der Aktion „Bürgerhaushalt“ vor. Eingegangene Vorschläge würden unzureichend gewürdigt oder nicht ernst genug genommen. Der CDU-Fraktionschef konkretisierte: „Wir selbst halten allerdings nichts vom Bürgerhaushalt, da kommt zu wenig bei rum.“ Generell monierte Fischbach die zu geringe Transparenz des Etats, Wildwuchs bei Projekt-Programmen der Verwaltung, die später als Regelleistung übernommen würden und den Finanzrahmen der Stadt sprengten. Dem Bürgermeister warf er vor, Gladbeck angesichts der desolaten Finanzen nach außen zu gut, als „problemlose Zone“, darzustellen. Fischbach: „Wie schlimm es ist, muss im Haushalt tatsächlich ablesbar sein und ausgesprochen werden.“
Mario Hermann sagte für Bündnis 90/Die Grünen, dass vieles, das Gladbeck finanziell belaste, von der Stadt nicht beeinflussbar sei. „Wir müssen den Etat nach den Bedingungen und den Notwendigkeiten machen.“ Er warf der CDU vor, selbst auch nicht „den großen Konsoldidierungsbeitrag“ geleistet zu haben. Es gebe nichts zu verteilen, so Hermann, das Damoklesschwert der Überschuldung kreise über der Stadt. Der Grundfehler sei die falsche Struktur der Gemeindefinanzen. Daher sei es richtig, dass Gladbeck mit anderen weiter die juristische Auseinandersetzung über Fehler bei der Gemeindefinanzierung betreibe. Die Handlungsfähigkeit der Städte, die unmittelbarstes demokratisches Ge-meinwesen sind, sei unverzichtbar. Dennoch solle auch jetzt noch gestaltet werden: Die Förderung der Integraton in Schulen etwa, oder der Ausbau der Grünachse City vom Jovyplatz bis Nordpark.
Olaf Jung, Linke-Fraktionschef, ging in einem großen Umfang seiner Rede auf Bundes- und Landesthemen ein, die bis ins Lokale ausstrahlten, beklagte als Folge einer dort falsch gemachten Politik eine soziale Schieflage im Lokalen. Der Etat benenne nicht die Probleme, die die Stadt plagen, schon gar nicht bekämpfe er sie. Stichwort Wohnumfeld: Sie verfielen, Eigentümer schielten nur auf Profite. Da sei die beschlossene Grundsteuererhöhung eine „Belastungsorgie für Mieter“. Durch die interkommunale Zusammenarbeit mit Kompetenzabgaben an den Kreis würden die „demokratischen Gestaltungsspielräume“ aufgegeben.
Auch die Soziale Liste (DKP /Hartz-IV-Initiative) kritisierte den Etat als unsozial, argumentierte auch viel mit bundespolitischen Themen. 43% der Gladbecker lebten an der Armutsgrenze, so Sprecher Dorka, die hiesige Wirtschaft warne dennoch, die Gewerbesteuer zu erhöhen. „Da zeigt sich, wie ausgeprägt soziale Verantwortung ist.“ Dorka forderte das Sozialticket, „jedem Kind ein Essen“, mehr ÖPNV-Investitionen, Rücknahme der GWG-Mietererhöhungen.
Kritik am Etat der Stadt im Rat kam auch von„Bürger in Gladbeck“ (BIG) und von der FDP. BIG-Fraktionssprecher Udo Flach bemängelte Einsparungen im sozialen Bereich, etwa im Schul- oder Kulturbereich. Er kritisierte er aber auch Er-höhungen etwa von Gewerbe- oder Hundesteuer. Er schlug vor, „neue Einnahmequellen“ zu erschließen, etwa durch Gründung eigener Stadtwerke oder den Bau einer Bioanlage, um etwa Grünschnitt in Energie zu wandeln. Handel und Gewerbe müssten Rahmenbedingungen bekommen, damit mehr Steuern gezahlt würden. Einmal mehr schlug Flach die Öffnung des Marktplatzes zum Parken vor. Aber auch die Gründung eines Fördervereins für die Vogelinsel, der die Hälfte der heutigen Kosten als Zuschuss bekomme. „Allein mit Sparen ist es nicht getan.“
Michael Tack blieb für die FDP sehr theoretisch, beklagte Risiken des Haushaltssicherungskonzeptes, der Kreisumlage, fragte nach Sparbemühungen des Kreises. Er geißelte die Gewerbe- und Grundsteuererhöhung und warnte, dass die Stadt haushaltstechnisch „vor dem Abgrund“ stehe. Das Nein der FDP zum Stadthaushalt sei auch ein Protest gegen die Abschaffung der kommunalen Selbstverwaltung, die durch die mangelnde Finanzausstattung der Städte entstehe, so Tack.