Gladbeck.

Er ist der jüngste Ortsteil der Stadt, entstand ab 1965 auf der grünen Wiese und war für die ehrgeizigen Stadtväter jener Jahre ein Meilenstein auf dem Weg, Gladbeck zur Großstadt mit 120 000 Einwohnern zu machen: Rentfort-Nord.

„Hier konnten sich damals die Architekten verwirklichen“, berichtet Georg Willebrand, mit dem die WAZ unterwegs im Stadtteil war. Der ehemalige Lehrer des Ratsgymnasiums ist ein Mann der ersten Jahre in Rentfort-Nord. Der heute 72-Jährige baute ab 1971 an der Karl-Arnold-Straße wie viele andere in dem neuen Ortsteil. Insgesamt wurden bis weit in die 70er Jahre Häuser und Wohnungen für gut 10 500 Menschen hoch gezogen.

Einzige Straßen waren da-mals im Rentforter Norden Loh- und Kreuzstraße sowie Mesterfeld, wo noch heute vereinzelt Altbebauung zu finden ist. „Alles andere entstand neu“, so Willebrand, der die Entwicklung genau mitbekommen hat. Es entstand eine reine Wohn- und Schlafstadt, „ein Stadtteil mit Erholungscharakter, gleichzeitig aber mit guter Verkehrsanbindung.“ Ein Stadtteil, so erinnert er sich, der bei seiner Bewirtschaftung auf feste und flüssige Brennstoffe verzichtete - nur Gas, Strom und Fernheizung waren zugelassen.

Außerdem sollte es ein autoarmes Wohngebiet werden, „und als architektonisches Ausrufezeichen entstanden die vielen Bungalows mit Flachdächern.“ Nicht zuletzt wollte man einen Stadtteil der sozialen Mischung schaffen, so entstanden die Hochhäuser, teils als Sozialwohnungen, neben den Eigenheimen.

Da alles auf dem Reißbrett konzipiert wurde, plante man gleich ein Seniorenzentrum (an der Berliner Straße von der AWo gebaut), ein Ge-schäftszentrum (das noch heute überraschend gut besetzt ist) und ein Kirchenzentrum rund um (das nach wie vor lebendige) St. Franziskus mit. „Und natürlich gehörte auch ein Schulkomplex dazu“, weist Willebrand auf die Errichtung der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule hin. „Da wurde richtig geklotzt, die haben Räume ohne Ende.“ 10 Mio DM seien dort damals investiert worden, „das Heisenberg, das etwa zur gleichen Zeit gebaut wurde, musste mit 2 Mio DM auskommen.“

Ein funktionierender Stadtteil, in dem es sich gut leben lässt, wurde verwirklicht. Abgesehen von den wenigen Geschäften, einigen Dienstleistern und Handwerkern gibt es keine Gewerbebetriebe in dem Stadtteil. Apropos Geschäfte: In dem Geschäftszentrum an der Schwechater Straße begann 1988 das Geiseldrama, dass den Stadtteil und vor allem Gladbeck in der ganzen Welt bekannt gemacht hat. „Das Gladbecker Geiseldrama kennen alle, das hat sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt“, so Willebrand, der aber nicht der Meinung ist, dass das Drama wie ein bedrückender Schatten auf Rentfort-Nord lastet. Dort, wo Rösner und Degowski zuschlugen, die ehemalige Deutsche-Bank-Filiale, ist heute übrigens ein Döner-Imbiss zu finden.

Wie ein Schatten lastet aber das Hochhaus Schwechater Straße 38 auf Rentfort-Nord. „Ein Schandfleck“, sagt Willebrand. Findet es aber gleichzeitig auch schade, dass das Haus so runtergekommen ist. „Das ist ein tolles Ding, war damals bestimmt nicht billig, an den Seiten ist es komplett mit Schiefer verkleidet.“ Alle Welt im Ortsteil wartet aber darauf, dass es verschwindet.

Ergänzt hat sich der Stadtteil übrigens an anderer Stelle auch schon: An der Wodzislaw-Straße und an der Uechtmannstraße - auch hier Erholung inklusive.

Daten und Fakten zu Rentfort-Nord:

Alle Überlegungen zum Bau von Rentfort-Nord gehen auf Leitplandiskussionen bereits aus dem Jahr 1957 zurück. 1963 standen die Planungen fest, 1965 war Baubeginn.

Markant und für Gladbeck prägnant waren und sind die Hochhäuser an Berliner- und Marcq-en-Baroeul-Straße.

Heute zählt Rentfort-Nord laut Statistik 7728 Einwohner, wobei der Ausländeranteil bei 4,8 % liegt - zweitniedrigster Wert stadtweit.

Rentfort-Nord ist ein „alter“ Stadtteil: Rund ein Drittel aller Bewohner ist älter als 60 Jahre. Spitzenwert.

44 % der Menschen in Rentfort-Nord sind katholisch, 29,3 % evangelisch.

49,9 % der Bevölkerung sind verheiratet, 32,5 % ledig, 10,7 % verwitwet und 6,9 % geschieden - (der letzte Wert ist genau Stadtdurchschnitt).

Insgesamt ist der Stadtteil knapp 330 Hektar groß.

Viel Grün prägt das Bild: 109 Hektar Ackerfläche, gut 74 Hektar Waldfläche und fast 27 Hektar Grünfläche gibt es. Hinzu kommen 1,34 Hektar Wasserfläche.

Knapp ein Drittel der Fläche, genau 106,7 Hektar, ist mit Wohnhäusern bebaut.

Zur Serie „Unterwegs im Stadtteil“

Mit diesem Teil über Rentfort-Nord endet die Serie „unterwegs im Stadtteil“. Mit ihr wanderte die WAZ Gladbeck seit Ende November 2010 durch die einzelnen Ortsteile und stellte sie vor. Und zwar aus Sicht von Ortsteilkennern, die die Stärken und Schwächen kennen und wissen, was den Ortsteil im Detail ausmacht. Es erschienen Stadtteilgeschichten aus Mitte-Ost mit Heinz Enxing, Zweckel mit Hans-Josef Justen, Ellinghorst mit Erika Köhn, Rosenhügel mit Ur-sula Ansorge, Butendorf mit Jochen Orberger, Alt-Rentfort mit Dr. Josef Lohaus und Hermann Feldhaus, Stadtmitte mit Carmen Tietze, Brauck mit Egon Brylak und Schultendorf mit Petra Linzner. Mit dem zehnten Teil aus Rentfort -Nord mit Begleiter Georg Willebrand endet die Serie.