Gladbeck.

„Integrationsunwillige Muslime. . .“ Offensichtlich mit Bedacht hat VHS-Leiter Dietrich Pollmann diese zwei Worte als Einstieg in die gleichnamige Veranstaltung der Serie „Türkei – So nah, so fern“ gewählt. Sie lockte zahlreiche Zuhörer an.

Eben nicht nur, weil sie das Thema des Abends beschreiben, sondern auch, weil sie einen Klang haben, die jeden der Gäste im Lesecafé der Stadtbücherei still und aufmerksam werden lässt. Die Begriffe sind, besonders durch die sarrazinischen Klänge des letzten Jahres, zum geflügelten Wort der politischen Diskussion geworden. Das Argumentationsmuster, es gäbe viele nicht-integrierte Muslime – also sind Muslime integrationsunwillig – setzte sich bei vielen fest. Darüber nachgedacht, was sowohl jenes Argumentationsmuster, als auch das Wort „integrationsunwillig“ bedeutet, wurde dabei häufig nicht. „Wir wollen heute einmal die zu Wort kommen lassen, über die immer so heiß diskutiert wird“, sagte Pollmann in seiner Einleitung noch.

Ziel des Vortrags von Professor Dr. Ahmet Toprak von der Fachhochschule Dortmund war es, eben jene Begrifflichkeit klar unter die Lupe zu nehmen. Der Erziehungswissenschaftler stellt zunächst einmal klar: Per Definition würden Menschen, die integrationsunwillig seien, eben auch keine Motivation haben, wirtschaftlich, am gesellschaftlichen Leben und am sozialen System teilzuhaben.

Ob dem wirklich so ist, überprüfte Toprak mit einer Interview-Studie an 124 Muslimen aus jenen Milieus, in denen man „integrationsunwillige“ Migranten vermuten würde. Er ging in türkische und arabische Kulturvereine, Männercafés, muslimische Gemeinden und fragte: „Was sagen Sie zum Kopftuch? Was sind die Meinungen zu Ehre, Ehrenmorden und Zwangsheirat, warum nehmen einige Kinder nicht an Klassenfahrten teil?“

„Ich wollte nicht erforschen, wie viele Muslime ein Kopftuch tragen, sondern warum sie es tun. Mich haben die Motive in jenen Themen- und Problembereichen, an denen gerne Integrationsunwilligkeit festgemacht wird, interessiert“, erklärt Toprak.

Seine Ergebnisse sind interessant und brisant - wenn auch wenig überraschend. Zumindest in den untersuchten Bereichen konnte er nur in sehr wenigen Einzelfällen feststellen, dass die Motivation war, sich gezielt nicht zu integrieren.

Am Beispiel des viel diskutierten Kopftuchs stellt Toprak fest: „Viele tragen es aus modischen, religiösen Gründen, oder weil es praktisch ist. Nur wenige tun es, um sich zu desintegrieren. Einige haben es sogar als Zeichen der Freiheit gesehen: In der Türkei hätten einige Mädchen nicht gleichzeitig studieren und ein Kopftuch tragen können.“ Ähnlich ist es mit den Klassenfahrten: Manche muslimische Eltern schieben wegen finanzieller Probleme kulturelle Gründe vor. Missverstehen darf man seine Erkenntnisse dennoch nicht: Er dementiert Probleme der Integration nicht, diskutierte leidenschaftlich mit den vielen Gästen. Aber davon zu sprechen, dass Muslime per se kein Interesse an Integration haben, sei nicht richtig. „Integration ist keine Frage der Religion oder Nationalität, sondern eine Frage von Arm und Reich“, so Toprak.

Sein Blick in die Zukunft: Vorurteile auf beiden Seiten abbauen, „Kastensystem Schule“ vereinheitlichen, nicht das Trennende betonen, sondern das Verbindende fördern.