1933 - 1945. Ein brauner Schatten lag auf der Stadt Gladbeck. Das gesellschaftliche Klima war menschenfeindlich und antisemitisch. Schon seit Mitte der 30er Jahre, seit dem 11-Punkte-Programm des Rates der Stadt, angeführt von Bürgermeister Bernhard Hackenberg, durften Juden keine öffentlichen Bäder und Sportstätten benutzen. Jüdische Kinder wurden aus den Schulen gedrängt. Und im Barbara-Hospital wurde ein eigenes Judenzimmer eingerichtet.

Etliche Juden hatten die Stadt bereits verlassen. Die geblieben waren, wurden nach und nach enteignet. Im Zuge der Arisierung jüdischer Geschäfte wurde etwa das jüdische Bekleidungsgeschäft Gebrüder „Daniel“ am Marktplatz in „deutschen“ Besitz überführt. Dies wurde mit einem „Gefolgschaftsappell“ im Januar 1936 in den Geschäftsräumen gefeiert.

In den Gladbecker Schulen wurde Rassenunterricht erteilt. Die Kinder lernten, einen Juden zu erkennen an dessen äußeren Merkmalen, hörten, das Volk Israels bestehe aus minderwertigen Menschen.

Es wurde immer schwieriger für die verbliebenen Juden, die bald nicht mehr nur um ihr wirtschaftliches Wohlergehen, sondern um ihr Leben fürchten mussten. Um 1940 lebten noch rund 60 Juden in Gladbeck. Vielen waren nach Holland geflohen in der Hoffnung, dort sicher zu sein. Nach der Besetzung im Mai 1940 wurden die meisten von dort aus deportiert. Die Situation war ausweglos, schildert der Gladbecker Jude Samuel Cohen:

In den Gaskammern ermordet

„In einer Kleinstadt wie Gladbeck war es für Juden unmöglich, ihr Geschäft aufrecht zu erhalten. Im November 1938 wurde das Geschäft sowie die Einrichtung unserer Privatwohnung im selben Haus durch Nazis zertrümmert und geplündert. Meine Frau und ich wurden blutig geschlagen und in ein Gefängnis geschleppt. Nachdem ich einen Monat in Gladbeck und zwei Monate in Osnabrück im Gefängnis gewesen war, wurde ich nach einem Arbeitslager in Westfalen verschickt. Im Jahre 1939 wurde ich vor die Gestapo geladen und es wurde mir eine kurze Frist zur Auswanderung aus Deutschland gegeben. Im Juni 1939 gelang es mir, nach England auszuwandern, unter Zurücklassung meiner Frau und Verwandten in Essen. Meine Absicht, meine Frau nachkommen zu lassen, ließ sich nicht mehr ausführen. Sie wurde nach Theresienstadt transportiert, wo sie umkam. Meine Schwiegereltern (Familie Kaufmann, Anm. d. Verf.) und deren Kinder flüchteten nach Holland und nahmen meinen Sohn Sigmund (geb. 10.12.1935) mit. In Holland wurden sie aber nach der Invasion alle verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht, wo sie umkamen. Mein Sohn wurde nach Westerbork in Holland und von dort nach Auschwitz verschickt, wo er in den Gaskammern ermordet wurde.“ (aus: Frank Bajohr, „Verdrängte Jahre – Gladbeck unter’m Hakenkreuz“, Klartext Verlag)

Einer von denen, die geblieben waren, war Isidor Kahn, der bereits seit 1914 in Gladbeck lebte und an der Kolpingstraße ein Textilwarengeschäft betrieben hatte. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde Isidor Kahn verhaftet. Bis zum 23. November saß er im Polizeigefängnis. Ein normales Leben war fortan nicht mehr möglich. Isidor Kahn gab sein Geschäft auf und flüchtete sich in ein Haus an der Buerschen Straße 83. Dies war eine Zufluchtstätte für die wenigen Juden geworden.

Ab 1943 wanderte Isidor Kahn von Versteck zu Versteck. Stets musste er um sein Leben und um das seiner „arischen“ Frau, die ihm die Treue hielt, fürchten. Einige der Gladbecker Bürger, die ihm halfen, war die Familie von Reinhold Hoff.

In einem Zimmer versteckt gehalten

„Meine Familie war mit Isidor Kahn gut befreundet. Nachdem Herr Kahn vor den Nazis untertauchen musste, haben wir ihn bis zum Zusammenbruch 1945 in jeder Beziehung unterstützt. Als Schuljunge habe ich wöchentlich Pakete mit Kleidung und Essen zu seiner Schwägerin auf der Bahnhofstraße gebracht. Während des Krieges hat sich dann Herr Kahn in gewissen Abständen in einem Zimmer unseres Hauses versteckt gehalten.“ (ebenfalls aus: Frank Bajohr, Verdrängte Jahre)

Nur knapp entkam Isidor Kahn einmal mit einer gewagten Flucht der Verhaftung. Seine Frau hatte Glück im Unglück. Sie wurde zwar verhaftet und in „Geiselhaft“ genommen, aber später durch die amerikanischen Truppen aus dem Gladbecker Polizeigefängnis befreit.

Isidor Kahn tauchte bis 1945 in Buer unter. Nach dem zweiten Weltkrieg war er einer von vier Juden, die noch in Gladbeck lebten. Er eröffnete als einziger Jude noch einmal an der Horster Straße ein Textilgeschäft.