Gladbeck..
Die Anzeichen im Rosenhügel-Fall, in dem ein 48-Jähriger am Sonntag wie von Sinnen auf seine Frau einstach, deuten auf vorausgegangene häusliche Gewalt hin. Die Polizei musste in der Vergangenheit schon mehrfach eingreifen.
Rosenhügel, Münsterländer Straße. Nichts erinnert mehr an das blutige Drama, das sich am Sonntagvormittag auf der kleinen Straße nicht unweit vom Marktplatz abgespielt hat. Wie von Sinnen hatte ein Ehemann (48) auf seine Frau (46) mit einem Messer eingestochen. Nur herbei eilenden Anwohnern ist wohl zu verdanken, dass die Mutter von fünf Kindern den Angriff ihres Ehemannes überlebt hat. Sie liegt (wie berichtet) schwerst verletzt im Essener Uni-Klinikum.
„Schrecklich. Einfach entsetzlich!“ Die Menschen im Stadtteil reagieren auch zwei Tage später noch geschockt. Es erscheint unfassbar, dass so etwas geschieht. Doch die Tragik dieses Falls ist noch eine andere: Es wird erzählt, dass es schon vorher zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen ist und dies nicht der erste Angriff des Brauckers auf seine Frau war. Auch die Polizei soll mehrfach eingegriffen haben. Bestätigt wird das allerdings nicht, denn zum Schutz von Opfer und Familie macht die Polizei solche Daten nicht öffentlich. Nach dem Vorfall jetzt „handelt es sich außerdem um ein laufendes Ermittlungsverfahren“, teilt Pressesprecher Andreas Wilming-Weber mit. Ermittelt wird gegen den Ehemann wegen versuchten Totschlags.
„Untypisch ist nur die öffentliche Tat, der Angriff auf offener Straße“
„Das hört sich nach einer Gewaltbeziehung an“, vermutet aber auch Sabine Kaup von der Frauenberatungsstelle. Denn vieles deute auf die typischen Anzeichen für Häusliche Gewalt hin. Auch für die Beratungsstelle gilt jedoch Schweigepflicht zum Schutz des Opfers vor der Öffentlichkeit. „Untypisch ist nur die öffentliche Tat, der Angriff auf offener Straße“, so die erfahrene Beraterin. Üblicherweise findet Häusliche Gewalt – dazu zählen auch verbale Beleidigung, psychischer Druck und Gewalt, Vergewaltigung – in den vier Wänden statt, werde vor der Umwelt verborgen.
Was jedoch nicht immer gelingt: 70 bis 100 Mal im Jahr wird die Polizei zu Einsätzen gerufen, bei denen es um Häusliche Gewalt geht, so der Pressesprecher. Und in rund 50 Fällen werden die nach dem Gewaltschutzgesetz möglichen Wohnungswegweisungen ausgesprochen. Der Täter darf sich dann zehn Tage lang der Wohnung nicht nähern. Die Frau wird in dieser Zeit von der Opferschutzbeauftragten der Polizei betreut und soll Zeit gewinnen, um in Ruhe eine Entscheidung treffen zu können.
Frauen kehren häufig zu gewalttätigen Männern zurück
Nur wenn die Frau einwilligt, erfährt auch die Frauenberatungsstelle von der Wegweisung des Mannes und kann ihre Hilfe anbieten, eventuell einen Aufenthalt im Frauenhaus vermitteln. Durchaus häufig kommt es aber vor, dass die misshandelten Frauen den Männern auch nach der Wegweisung eine neue Chance geben und sie wieder in die Wohnung zurückkehren lassen. „Das kann mehrmals passieren“, weiß Sabine Kaup. Und die Beraterinnen in der Frauenberatungsstelle sind daher gleich alarmiert, wenn sie von einem solchen Vorfall wie dem aktuellen in Rosenhügel hören. „Dann überlegen wir sofort, ob wir die Frau vielleicht kennen, sie in unserer Beratung war.“
Sabine Kaup erinnert sich an zwei Fälle in den letzten Jahren, bei denen Gladbecker Frauen von ihren Männern getötet wurden. Der letzte Fall geschah 2007. Im Nachhinein hatte sich herausgestellt, dass dem dramatischen Ende eine lange Geschichte häuslicher Gewalt vorausgegangen war.
Polizei zeigt jeden Fall
häuslicher Gewalt an
Gewalt in der Familie ist keine Privatsache: Jeder Fall, zu dem die Polizei gerufen wird, kommt auch zur Anzeige. Selbst wenn die betroffene Frau sie nicht stellt, gilt für die Polizei das Strafverfolgungsgebot. Sie informiert die Staatsanwaltschaft.
Über eine Wegweisung des Mannes – in 99 Prozent aller Fälle sind Männer die Täter, die bei Familienstreitigkeiten Gewalt ausüben – entscheidet ebenfalls die Polizei. Sie beurteilt das Gefährdungspotenzial und ordnet die Wegweisung zum Schutz der Frau an. Diese Wegweisungen sind seit Bestehen des Gewaltschutzgesetzes (2002) möglich und werden in der Hälfte der Fälle auch ausgesprochen. In Gladbeck gibt es neben dem Beratungsangebot der Frauenberatungsstelle seit vielen Jahren einen Arbeitskreis „Häusliche Gewalt“, in dem zahlreiche Institutionen und Verbände mitarbeiten. Frauenberatungsstelle, Grabenstr. 13,. 66699, 9-12 Uhr