Gladbeck.
Vielleicht lag es an der sehr erfrischenden Atmosphäre dieser Diskussion - jedenfalls hörte der aufmerksame Teilnehmer im Hörsaal der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule manch’ beachtliches Statement.
Ja, das Buch von Thilo Sarrazin habe mit seinen sicherlich nicht immer zutreffenden Thesen gleichwohl ein gewisses „Schweigen“ in der Gesellschaft über bestimmte Aspekte und Probleme der Integration gebrochen. Das sagte zum Beispiel Integrationsrat-Chef Bahtiyar Ünlütürk.
Und Bürgermeister Ulrich Roland (SPD) machte sehr klar deutlich, dass Integration nicht nur eine Bring-Schuld des Staates sei, sondern eben auch eine Hol-Schuld der Betroffenen. Ohne eigene Anstrengungen könne Integration nicht gelingen, sagte der Bürgermeister.
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Der Integrationsrats-Chef und der Bürgermeister waren als Experten zu einer Diskussionrunde an die Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule eingeladen, die der Sozialwissenschaften-Grundkurs der 13. Jahrgangsstufe organisiert hatte. Die Schüler moderierten selbst die komplette Veranstaltung, sie organisierten das gesamte Drum und Dran inklusive eines multikulturellen Imbisses, der nach der Veranstaltung von Tamana Mohseni und Esma Cirpanli bereitgestellt wurde.
Schüler übernahmen die komplette Organisation
Eva Brunner, Hatice Sanli und Ezgi Yaman befragten die Experten und stellten im Hörsaal vor weiteren Schülern und Lehrern auch diverse Schaubilder und Diagramme vor. Denn bereits seit November befassten sich die Sozialwissenschaften-Schüler mit dem Thema Integration. Sie nahmen dabei fünf Themenfelder konkret ins Visier (von Arbeit und Freizeit bis zur Stadtgesellschaft) und befragten auch Passanten in der Innenstadt. Insofern lernten sie nicht nur etwas zum konkreten Integrations-Thema, sondern sie trainierten gleichzeitig auch die umfassende Organisation eines solchen Projektes, dessen krönender Abschluss nun die Experten-Befragung im Hörsaal war.
Sowi-Lehrer Klaus Michalik schlüpfte dabei in die Rolle des stillen Zuhörers - eine beachtliche Veranstaltung in kompletter Schüler-Regie also.
Im Verlaufe der Experten-Anhörung streiften Ulrich Roland und Bahtiyar Ünlütürk die gesamte Bandbreite der facettenreichen Integrationsdebatte: Kleinere Schulklassen, eine bessere gezielte Förderung, mehr zwischenmenschliche Kontakte auf der Basis der Toleranz, ja auch mehr Mitgliedschaften von Kindern aus Migrantenfamilien in den Sportvereinen, die Notwendigkeit eines besseren Kennenlernens im Alltag - „Wenn ich ins Wittringer Stadion zu einem Leichtathletik-Training gehe, finde ich dort kein einziges Migranten-Kind. Warum eigentlich?“, fragte der Bürgermeister. Stadion und städtische Infrastruktur seien für alle da, würden aber nicht von allen in gleicher Weise genutzt - und das verhindere eben oftmals Kontakte und besseres Miteinander.
„Nutzt die Chancen, die sich Euch bieten!“
„Wir sind gerade erst am Anfang einer umfassenden Integrationsdebatte“, sagte Bahtiyar Ünlütürk. Und immer wieder würzten sowohl der Integrationsrat-Chef als auch der Bürgermeister die Debatte mit konkreten Fall-Beispielen.
Bahtiyar Ünlütürk, der schon in den späten 60-er Jahren nach Deutschland und nach Gladbeck kam, appellierte abschließend an alle Jugendlichen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund: „Nutzt Eure Chancen in diesem Land! Verglichen mit meiner Generation habt ihr mehr Chancen als jemals zuvor. Aber Eure eigene Anstrengung ist dabei ebenfalls gefragt.“