Gladbeck. .

Ein fast vollbesetztes Luther-Forum - ein ideales Podium für einen interessanten Konzertabend sozusagen am Vorabend des Reformationstages.

Mit seinem engagierten Vortrag zum Thema „Versuch der Erkenntnis Gottes im Spiegel der Musik“ und virtuos gespielten Transskriptionen von Bach und Brahms sowie der berühmten Toccata und Fuge d-Moll (BWV 565) und Julius Reubkes mächtige Klaviersonate in b-Moll begeisterte Prof. Dr. Claudius Tanski sein Publikum.

Bereits bei seiner Begrüßung gab Dr. Hans-Jürgen Badziong den Kurs vor: Er erläuterte ohne Umschweife, wie die Komponisten des Barock, der Romantik und der Moderne jeweils mit ihrem Glauben oder ihrem Zweifel an Gott umgegangen sind. Dass Musik über die Sprache hinausweist, dürfte niemand bezweifeln, aber lässt sich Gott in der Musik erkennen? Für den in Essen aufgewachsenen Musikprofessor, der derzeit an der Universität Mozarteum in Salzburg lehrt, ist jedenfalls klar, dass Musik und Glaube viel miteinander zu tun haben („Meine große Liebe ist die Theologie!“).

Was Musik dann wiederum mit der Mathematik (und im Falle Bach sogar mit Zahlenmystik) zu tun hat, erläuterte er nach der Pause einem amüsiert lauschenden Publikum. Und Tanski, Kind evangelisch-freikirchlicher Eltern und inzwischen zum katholischen Glauben konvertiert, erntet belustigten Beifall, wenn er sagt: „Ich glaube sogar, dass Johann Sebastian Bachs Musik katholisch ist.“ Ob das so ist und welche Konfession ihn für sich vereinnahmen darf, soll ruhig Theologen und Musikwissenschaftlern vorbehalten bleiben.

„Wachet auf, ruft uns die Stimme“

Wie stark Bach vom christlichen Glauben beseelt und in welch geistiger Tiefe seine Musik strahlt, das machte Tanski bei den Choralvorspielen „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ und in dem flehend-bittenden „Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“ überaus deutlich. Und dass Bachs vielgespielte Toccata in d-Moll (BWV 565) auch in der Transkription von Feruccio Busoni ein Meisterwerk ist, wurde wundervoll hörbar. Virtuos ließ Tanski die polyphonen Melodie-Linien fließen und spielte den barocken Glanz dieser expressiven Toccata voll aus.

Überboten wurde diese Leistung jedoch noch durch seine Interpretation von Julius Reubkes machtvoller Sonate für Klavier b-moll aus dem Jahr 1857, die jener seinem Lehrer Franz Liszt gewidmet hatte. Dass ein erst 24-Jähriger eine solche kunstvoll gewobene Komposition mit donnernden Akkordkaskaden, farbig-perlenden Läufen und düsterer Schwere schaffen konnte, ist für manchen sicher eine Neuentdeckung. Wie Tanski dieses Werk ohne kollossalen Pomp spielte, schnell und ausdrucksstark - eine wahrhaftig pianistische Leistung!

Dass Johannes Brahms (wie Spötter meinten) „immer dann aufhört, bevor es schön wird“, wird der Musikfreund schnell unterschreiben können. Zu sehr fühlte sich der „klassische Romantiker“ Brahms statt einer oberflächlichen Klangschönheit eher seiner kompositorischen Wahrheitssuche verpflichtet. Und dass Brahms eben alles andere als spröden Klavierklang schrieb, zeigte Tanski in zwei der „Vier ernsten Gesänge“ sowie Brahms’ Bearbeitung von Bachs Choralvorspiel „O Welt, ich muss dich lassen.“ Dieser verzweifelte Aufschrei von Gottverlassenheit wird mit innerer Leidenschaft und seelenvoller Gefühlstiefe umgesetzt.

Trotz intellektuellem Vergnügen an der Frage nach dem Göttlichen in der Musik bleibt der persönliche Affekt, das Angerührt-Werden eben doch das Schöne an der Musik. Das Rätsel ihrer Wirkung auf uns Menschen – da wird man Tanski Recht geben müssen - werden alle Physiker und Neurobiologen sicher niemals lösen.

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