Gladbeck. .
1871 fand schräg gegenüber der heutigen Christuskirche die erste fündige Bohrung eines Steinkohleflözes statt. Heute, 139 Jahre danach, ist es nur noch ein kleiner Kohlehaufen, der vor der Treppe der Kirche aufgeschüttet liegt.
Um zu erinnern. Und vielleicht auch ein wenig Mut zu machen: Kirche und Bergbau - „das gehört organisch zusammen“, erklärt Pfarrer Uwe Hildebrandt die Idee der Ausstellungsreihe in den vier evangelischen Kirchen der Stadt, die den Titel „Kirche - Kohle - Kumpel“ trägt und in der Christuskirche in Stadtmitte im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010 eröffnet wurde. „Ohne den Bergbau“, sagt Hildebrandt, „wäre eine evangelische Gemeindebildung in der Stadt nicht möglich gewesen.“
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Deshalb hat die Gemeinde gemeinsam mit der IG BCE Gladbeck den Bergbau in die Kirche geholt. Kohlezeichnungen, Bilder, Fotos, Zeittafeln zeigen in der Christuskirche historische Fakten, die Zuwanderung, gemeinsame Geschichte und persönliche Eindrücke der harten Arbeit im Stollen. Die Veranstalter wollen Bergbau „wieder lebendig erkennbar machen“, steht in ihrem Faltblatt. Deshalb haben Schüler der Erich-Fried-Schule einen sieben Meter langen Stollen ins Seitenschiff gebaut. Hier bewegt man sich wie unter Tage und kann auf Skizzen bei Grubenbeleuchtung einiges erfahren über das „Abtreiben eines Gebirges“ oder das „Anspitzen eines Stempels“.
„Heutzutage gibt es Schüler, die können sich gar nicht vorstellen, was eine Zeche ist“, sagt Prof. Traugott Jähnichen (Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre an der Ruhr-Universität Bochum). Er hält zur Eröffnung einen Vortrag und spricht übers Ruhrgebiet und darüber, dass es wichtig ist, „an Wurzeln und Traditionen anzuknüpfen.“ Dass es kein Wirtschaftswunder ohne Ruhrgebiet und Bergbau gegeben hätte. Er erklärt wie Kirche und Bergbau seit der Industrialisierung erst langsam zueinander fanden und wie die gefahrvolle Arbeit unter Tage die „Menschen zusammengeschweißt hat“, wie Solidarität entstand - ein Gedanke, der auch der christlichen Wertelehre nicht fremd sein dürfte. Und das Thema der Stunde: Integration; die habe funktioniert, heute stehe man aber vor neuen Herausforderungen. „Das Ruhrgebiet wird bunter“, sagt Jähnichen, das könne „ein starkes Stück Deutschland“ bedeuten.
Ein starkes Stück Deutschland: Mit Steinkohle? Der Kohlehaufen vor der Kirche ist klein und es regnet, 2018 kommt der Kohle-Ausstieg, vielleicht sogar früher. „Was wird bleiben?“, fragt Pfarrer Hildebrandt. Und antwortet: „das Gemeinschaftsleben miteinander.“ Jähnichen nennt es „Solidaritätstraditon“ und Bürgermeister Ulrich Roland (SPD) die „bergmännischen Tugenden: Solidarität, Verlässlichkeit und Gemeinsinn.“
Und Traugott Jähnichen kann sich sogar vorstellen, dass noch mehr bleibt: „Vielleicht gibt es ja doch noch eine Perspektive über 2018 hinaus“, sagt er und erntet Applaus, „wir sollten nicht ohne Not beenden, was solch einen Beitrag zum Wohlstand geleistet hat.“
Was das Miteinander betrifft: Das leben die evangelische Kirche und die IG BCE in Gladbeck noch immer. Etwa mit dem Bündnis für Courage, den Sozialen Lichtern im Advent - oder eben dieser Ausstellung.