Im Intermezzo, dem frühen deutschen Werbefernsehen, als das HB-Männchen noch regelmäßig in die Luft ging, war auch ein Taubenvater äußerst populär. Der kleine Trickfilm, in dem er die Hauptrolle spielte, endete jedes Mal mit der Ankündigung „Und ich krich dich doch in’n Schlach!“. Dann ging’s für den verzweifelten Taubenliebhaber von der Dachrinne aus abwärts.

Ganz so dramatisch wird es nicht, wenn in der Reisesaison Sonntags morgens regelmäßig im Zweckeler Garten von Anton Nowak so acht bis zehn Leutchen die Hälse in die Luft recken und gespannt darauf warten, wann endlich Nowaks Tauben einkurven. Sie kehren dann von den Preisflügen der RV Gladbeck heim, und Nervenkitzel ist es doch, bis sie endlich den Weg in den Schlag gefunden haben, wo ihre Ankunft dann elektronisch registriert wird.

Und wenn es vorher geregnet hat, dann schwant Taubenvater Anton Nowak nichts Gutes. Denn dann steht auf dem Garagendach nebenan Wasser und die gefiederten Renner gönnen sich erst noch ein Schlückchen oder gar ein kurzes Bad, ehe sie sich in ihr Zuhause bequemen und ihre Flugzeiten offiziell enden. „Im letzten Jahr hätte ich mit der 503 bei einem Flug mit zwei Minuten Vorsprung die beste Taube gehabt”, erinnert sich mit Bedauern der Zweckeler. „Die ging aber erst nach acht Minuten in den Schlag und hat dann nur den 20. Platz gemacht.”

503, das erscheint als Name vielleicht etwas unpersönlich, aber die Tauben werden nun einmal nach den Ringnummern benannt, unter denen sie für die Flugsaison registriert sind. Deshalb lockt Anton Nowak sie auch eher mit einem trillernden Pfiff und dem Rappeln der Futterdose. Und auch ohne Namen kennt er seine Flieger ganz genau. Wie andere ihre Schweine am Gang, erkennt der 63-Jährige die älteren Tauben schon am Flug und die jüngeren an Farbe und Zeichnung. „Hier die 1016”, greift er zielsicher eine heraus, „hat bei zwei Flügen Preise gemacht, obwohl sie verletzt war. Man hat das nicht gesehen.” Als er es dann schließlich doch bemerkte, wurde die Wunde an der Brust von 1016 genäht. „Und beim nächsten Flug hat sie sofort wieder einen Preis geholt”, versichert ihr stolzer Eigentümer.

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen, heißt es ja. Aber erzählen kann offenbar auch, wer Tauben auf die Reise schickt. Geschichten hat Anton Nowak jedenfalls genügend parat. Diese zum Beispiel. „Nummer 1006 lebt”. Diese frohe Botschaft erreichte den Zweckeler Züchter vor kurzem aus Bayern. Dass es sich bei 1006 nicht um einen späten Nachfahren des allzu menschlichen Filmroboters Nummer 5 handelt („Nummer 5 lebt“) wissen wir ja schon. Die Taube hatte sich auf dem 10. Preisflug aus dem rund 330 Kilometer entfernten Schlüsselfeld verflogen. „Ich vermute mal, dass ein Habicht oder Sperber hinter ihr her war”, meint Anton Nowak. Völlig entkräftet hatte sie dann ein bayerischer Züchter gefunden und wieder aufgepäppelt. Nach sechs Wochen kehrte Nummer 1006 aus eigener Kraft nach Gladbeck zurück.

Nicht immer gehen die Geschichten so gut aus. Es hat Anton Nowak schon weh getan, als seine Nummer 804, nachdem sie schon rund 45 Preise eingeflogen hatte und 2005 bester Vogel des Jahres war, im Jahr 2008 nicht mehr in den heimatlichen Schlag zurückkehrte. „Auf der letzten Preistour”, sagt Nowak. „Da hatte der Vogel von elf möglichen schon zehn Preise geholt.”

Dass der Zweckeler erfolgreich züchtet, davon künden zahlreiche Pokale und Urkunden, die er in seiner Gartenlaube präsentiert. Und mit Tauben kennt er sich schon fast sein ganzes Leben lang aus. „Mit fünf Jahren hatte ich meine ersten”, erzählt er. Das war damals noch in Polen, im ehemaligen Westpreußen. 1963 ist er in den Westen gegangen, seit 1975 ist er Mitglied der RV Gladbeck. Es gab Pausen, aber seit 2002 ist er wieder voll im Rennen, nachdem er mit sechs geschenkten Tauben neu anfing.

Mit Gabriele Wolter bildet Anton Nowak eine Schlaggemeinschaft, die nicht nur beim „Schicken” aktiv ist, sondern auch in der Reisevereinigung. Gabriele Wolter ist Kassiererin, Anton Nowak kümmert sich als Einsatzobmann um die Taubentransporte. Und die Leidenschaft für seine Renner der Lüfte jedenfalls ist ungebrochen. „Es ist schon eine Sucht”, gesteht er freimütig und sieht zu, dass seine Tauben auf eine Trainingsrunde kommen – für den nächsten Preisflug.