Das Ende von Hertie vor einem Jahr war bitter für die Mitarbeiter. Sie wurden alle in die Arbeitslosigkeit entlassen. Viele sind es bis heute.

Samstag, 15. August 2009, war kein schöner Tag für Hermann Löll (57). Eigentlich hätte er noch einmal arbeiten müssen, aber an diesem Tag ist der Gladbecker, der 35 Jahre bei Karstadt/Hertie seine Brötchen verdient hat, nicht mehr hin gegangen. An dem Samstag war endgültig Schicht, und Hermann Löll und seine Kollegen haben den Laden am Willy-Brandt-Platz einfach nicht mehr auf gemacht. 50 Mitarbeiter hatten nach einer zwei Jahre langen zermürbenden Zitterpartie mit der Schließung ihren Arbeitsplatz verloren.

Viele sind arbeitslos

Ein Jahr danach sind viele noch immer arbeitslos. So wie Hermann Löll, der viele Jahre in der Camping- und Sportabteilung arbeitete, zuletzt im Lagerteam die schweren Warenkartons stemmte. Bis kurz vor Schluss mit der Hoffnung, dass die Schließung von Hertie noch abgewendet wird. „Ich dachte doch, da bleib’ ich bis zur Rente. So ein Verein wird nicht untergehen. Und wir haben schwarze Zahlen geschrieben.“

Jetzt sitzt er zu Hause in Butendorf am Esstisch, schreibt tapfer eine Bewerbung nach der anderen. „Wir haben uns für einen Mitbewerber entschieden“; „Zurzeit ist leider keine geeignete Stelle frei“. Die Absagen sind höflich, aber deutlich. Hermann Löll hat sie alle abgeheftet, dazu seine Bewerbungen. „Ich mach’ alles“ sagt der Vater einer Tochter leise, der ursprünglich mal Blechschlosser bei Lueg gelernt hat. „Die Absagen, die sind wie Nackenschläge“, sagt er. Und dazu sitzt ihm die Angst vor Hartz IV im Nacken. Noch acht Jahre und (wegen der Rente mit 67) ein paar Monate dauert es bis zur Rente. Nach 35 Jahren nichts zu tun zu haben, „ist bitter“. Ob’s am Alter liegt, dass er nicht genommen wird? Löll zuckt mit den Schultern.

Glück gehabt

„Das Glück, das ich hatte, wünsch ich allen anderen Kollegen.“ Joachim Leinen (52) ist auch ein alter Hertieaner. 34 Jahre lang war das Haus am Willy-Brandt-Platz sein Arbeitsplatz - mit einer kurzen Unterbrechung ist es das seit Mitte März wieder. Der Haustechniker von Hertie, der noch so lange im Dienst war, bis die Verwaltung Ende des Jahres aus der vierten Etage auszog, arbeitet heute in gleicher Funktion wieder im Gladbecker Kaufhaus. Sein Glück im Unglück war sein Handicap, das ihm zum Job verholfen hat. Wegen einer Hörbehinderung zahlt das Arbeitsamt den Großteil des Lohns.

Joachim Leinen arbeitet wieder im ehemaligen Hertei-Haus als Haustechniker im neuen Gladbecker Kaufhaus.  Foto: Dirk Bauer
Joachim Leinen arbeitet wieder im ehemaligen Hertei-Haus als Haustechniker im neuen Gladbecker Kaufhaus. Foto: Dirk Bauer © WAZ FotoPool

Die zweieinhalb Monate Arbeitslosigkeit dazwischen aber waren „die Hölle“, sagt er. Bis der neue Pächter Jörg Hügen anrief und ihm den neuen, alten Job anbot.

Die Erfahrung mit der Hertie-Pleite hat Joachim Leinen jedoch misstrauisch gemacht. „Es wurde viel zu viel mit unseren Hoffnungen gespielt“, weiß er heute. Jetzt glaubt er Versprechungen erst, wenn „der Stein geworfen ist“.




Selbstständig gemacht

Mustafa Ugur hat den Weg in die Selbstständigkeit gewählt - und nicht bereut.
Mustafa Ugur hat den Weg in die Selbstständigkeit gewählt - und nicht bereut. © WAZ FotoPool

evor ich Regalauffüller bei Kaufland werde, mach’ ich mich selbstständig.“ Mustafa Ugur (35) hatte bei Hertie den Beruf des Reisebürokaufmanns gelernt und das Kaufhaus-Reisebüro zehn Jahre lang geleitet. Als das Ende von Hertie sich abzeichnete, hat er den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt und sein Reisestudio Gladbeck eröffnet.

Zwei Mitarbeiter gingen mit, ein weiterer konnte mittlerweile eingestellt werden. Die Selbstständigkeit bedeutet mehr Risiko, das Arbeiten ist aber „besser als vorher“ sagt der Mann, der aus Alanya stammt. „Ich habe das nicht bereut“.