Trotz Lauftrends läuft die Branche einer Zielgruppe nicht hinterher: den Übergewichtigen. Wenn Adi Raible am 7. März (11-17 Uhr) zur Läufermesse ins Riesener Gymnasium einlädt, legt er einen Schwerpunkt auf große Größen. „Die Industrie hat da ein Riesenproblem,“ findet er.

Für Übergewichtige ist Bewegung eine optimale Problemlösung. Wer sich vernünftig bewegt, bringt den Stoffwechsel in Fahrt und verbrennt Kalorien. Tipps und Trainingsmethoden, um die Pfunde purzeln zu lassen, ohne Bänder und Stützapparat zu überlasten, gibt es zuhauf. Geeignete Schuhe und womöglich Stöcke fürs Nordic Walking sind leicht zu haben, aber „beim T-Shirt und der Laufhose hört’s dann auf. Im Textilbereich ist in Größen wie 48 bis 54 für Damen und 60 bis 64 für Herren kaum etwas zu bekommen. Der europäische Markt hinkt hinterher“, erklärt Raible. Was der mediale Vorzeige-Dicke Rainer Calmund bei seiner telegenen Abspeckkur und Halbmarathon-Vorbereitung getragen hat, dürfte also eine Spezialanfertigung gewesen und kaum in einem deutschen Geschäft zu finden sein.

Mit seinen Mitarbeitern hat Adi Raible bei einer Sportartikelmesse Funktionsbekleidung bei den namhaften Herstellern gesucht - vergebens. Eine Marktlücke, die verwundert. Vor elf Monaten brachte eine neue repräsentative Vermessung der Deutschen das wenig schmeichelhafte Ergebnis, dass unser Volk in die Höhe und eben auch in die Breite geht und deshalb die Konfektionsgrößen entsprechend angepasst werden müssen. Eine Nachricht aus dem vergangenen November: Die Deutschen sind die Europameister im Übergewicht.

Solche Meldungen taugen womöglich für Spott und Häme, sollten aber nicht dazu führen, dass unnötige Hemmschwellen für Menschen aufgebaut werden, die etwas gegen ihr Übergewicht unternehmen wollen. Der Einstieg ins Laufen - ob als Walking oder Jogging - fällt schwer, wenn Frau oder Mann im Geschäft die Antwort hört: „In Ihrer Größe gibt es leider nichts.“ Dabei soll Laufsport vor allem eines bezwecken: Dass man sich wohlfühlt, was wiederum auch eine Frage der sportlichen Mode ist. Wer möchte schon in tristen und jede Körperform verschleiernden Schlabbersachen seine Runden drehen.

Raible hat sowohl die Problematik, als auch die Marktlücke erkannt. Auf seiner Läufermesse präsentiert er als neuen Trend Sportmode für „Starke Frauen und Männer“. Mit viel Mühe hat er nämlich zwei Lieferanten für besonders große Größen gefunden. Übergewicht entspreche nicht dem Mode-Ideal, meint Raible - an dem Tag, an dem Heidi Klum zum fünften Mal magere Mädels auf dem Laufsteg schickt. „In der Sportmode ist Übergewicht erst recht kein Thema“, sagt er weiter. Wer einen Blick auf die gängigen Laufzeitschriften wirft, sieht das bestätigt. Auf den Titelbildern joggen schlanke-schnittige Menschen, von Speckröllchen keine Spur. Was aber nicht der Realität entspricht, trägt doch so mancher Teilnehmer der zahlreichen Marathon-Veranstaltungen ein kleines und mitunter stattliches Bäuchlein vor sich her - siehe Rainer Calmund.

„Wer dennoch den Schritt macht, ist für mich eine starke Frau oder ein starker Mann.“ Er wolle auch stark beleibte Menschen zu regelmäßigem Lauftraining ermutigen. So verknüpft der Unternehmer Raible ein vermeintlich heikles Thema mit einer guten Geschäftsidee. Wer es ernst meint, mit dem Laufen Fett zu verbrennen, muss sich irgendwann ja wieder neu einkleiden.